Die Wurzeln der Freimaurerei III
Zur Herkunft der Symbole, Zeichen und Rituale
Im Laufe ihrer eigenen Geschichte haben die Freimaurer fast sämtliche
Bestände der menschlichen Kulturgeschichte usurpiert. Das gilt nicht nur für
die Legenden, sondern auch für die Symbole, Zeichen und Rituale. Die alten
Ägypter, Perser und Inder werden als mögliche Quellen bezeichnet.
Roland Müller, Loge Catena Humanitatis in Zürich (Schweizer
Freimaurer-Rundschau: Mai 2005)
Die Freimaurerei verwendet zur Anleitung und Schulung ihrer Mitglieder
rund 250 Symbole und symbolische Gehalte. Daher sprechen Lennhoff/ Posner
(Sp. 1567) von «Lehrbildern». In Lennings «Encyclopädie der Freimaurerei»
(1822-28) heissen sie «Lehrzeichen». Vielfach sind es «Allegorien» (Gantner,
102). Sie stammen aus allen Jahrtausenden der Menschheitsgeschichte. Die
grundlegenden Rituale dagegen stammen aus der Handwerkertradition des späten
Mittelalters.
300-1200: Bruderschaften, Schutz- und Ortsgilden
Religiöse Bruderschaften gibt es, vermutlich im Zusammenhang mit den
frühen Klöstern, seit dem 4. Jahrhundert. Dazu kommen Vereinigungen von
Klerikern und Laien, so genannte «convivia» (Verbände). Laut Otto Gerhard
Oexle (1981) existierten im Reich der Franken seit etwa 500 Schutz- und
Ortsgilden, seit 800 auch in England. Diese Gilden beruhten auf einem
gegenseitig geleisteten Eid «zu gegenseitigem Schutz und Beistand». Das
Vorlesen der Statuten beim gemeinsamen Mahl (convivium) bewirkte eine stete
Erneuerung der geschworenen Einung. Eng damit verbunden waren auch
Gottesdienst und Almosenspendung, ferner Totenkult und Totenmahl.
All dies war der weltlichen und geistlichen Obrigkeit ein Dorn im Auge,
was durch zahlreiche Verbote belegt ist. Die Gilden wurden oft der
Lasterhaftigkeit und Verschwörung (conspiratio) bezichtigt (vgl. auch
Dierickx, 201-202). Man argwöhnte ein «Geheimnis».
Das mittelalterliche Handwerk war christlich geprägt
Vereinigungen wie Zünfte oder Korporationen bildeten sich zwischen 1150
und 1350 (in England noch später). Auch sie verlangten einen Eid und
Verschwiegenheit. Erkennungszeichen und Passworte waren üblich. Sie hatten
aber bis etwa 1550 gar nichts Geheimnisvolles an sich. Die komplizierten
Formen und die Bekleidungsrituale stammen erst aus der Spätzeit der Zünfte.
Auch das geheimnisumwitterte «Maurerwort» wird von Knoop/ Jones auf
frühestens 1560 angesetzt.
Paul Naudon (19) betont: «In seinem Wesen religiös bestimmt, war das
Handwerk im Mittelalter und in der Renaissance profund christlich geprägt;
alle seine Gebräuche legen hiervon Zeugnis ab » . Auch war es damals üblich,
dass um die biblischen Themen herum fromme und erbauliche Legenden gesponnen
wurden. Das mag der historische Grund dafür sein, dass in der modernen
Freimaurerei soviel biblisches Gedankengut vorhanden ist.
Im Cooke-Manuskript (um 1410) heisst es etwa:
- Jabal sei beim Bau von Enoch, der ersten in der Bibel erwähnten
grösseren Stadt, Kains «master mason and governor of the works» gewesen.
- Jabal habe zwei Säulen aus zwei Steinen gemacht, auf denen alles
Wissen der damaligen Zeit aufgezeichnet war, damit es die Sintflut
überlebe.
- Abraham habe die Ägypter in Geometrie unterwiesen.
Berufung auf «alte Gewohnheiten» und «Geheimnisse»
Die Berufung der Handwerker auf «alte Übungen und Gewohnheiten» ist seit
850 (Monachus Sangallensis) belegt. Sie tritt gehäuft seit 1170 auf. Was das
inhaltlich bedeutete, wissen wir aber meistens nicht. Das gleiche gilt für
die Ve r s c h w i e g e n h e i t s p flicht. Man nimmt heute an, dass die
«Geheimnisse» rein technischer und beruflicher Art waren. Die erste
Verschwiegenheitspflicht in einem deutschen Handwerk datiert aus dem Jahre
1212; gehäuft tritt sie seit etwa 1350 auf.
Im 48. K apitel des Pariser «Livre des Métiers» von 1268, das die
Statuten der Bauleute enthält, wird den Meistern erlaubt, beliebig viele
Lehrlinge und Hilfskräfte zu beschäftigen, «pour tant que il ne monstrent a
nul de eus nul point de leur metier». Nach Punkt drei des Regius-Poems
(1390) soll der Lehrling schwören, geheim zu halten, was ihn sein Meister
lehrt und was er in der Loge sieht und hört. Auch nach Punkt drei des
Cooke-Manuskript soll der künftige Maurer den Ratschluss seiner Genossen in
Loge und Kammer verheimlichen («he can hele the councell of his fellow in
logge and in chambre and in every place ther as masons beth»). Sonst aber
gehen die Pflichten nicht über die Verordnungen und Anordnungen städtischer
Handwerksgilden hinaus.
Artikel 13 der Strassburger Ordnung von 1459 bestimmt: «Es soll auch kein
Werkmann noch Meister noch – Parlierer noch Geselle, niemands, wie der
genennd sige, der nit unsres Hantwerks ist, us keinem uszuge unterwisen, us
dem Grunde zu nemen: der sich Steywerks sin tage nit gebrucht hett.» Fast
derselbe Wortlaut findet sich noch 100 Jahre später in der Ordnung von 1563.
Der Schwur auf die Bibel: «Bei Gott und dem Winkelmass»
Bereits die englischen Werkmaurer mussten «auf das Buch» (d. h. die
Bibel) schwören, beispielsweise um 1370 am Yorker Münster. Laut Lennhoff /
Posner (Sp. 174) wurde bereits in den alten Logenmanuskripten des 16.
Jahrhunderts die Verpflichtung des Neuaufgenommenen ausdrücklich in die
Formel gekleidet: «so helpe me god and holydome and by this book». ( vgl.
Knoop/ Kones, 86) Als Bestandteil der Te m p e l a u s s t attung wird die
Bibel 1663 im Inventar der Londoner Loge Acceptance erwähnt (auch Sp. 11;
Knoop/ Jones, 150).
Wenn Franz Carl Endres (41) behauptet, die Bibel sei «historisch
nachweisbar erst zwischen 1725 und 1730 in das Ritual der Grossloge von
England hineingetragen worden», liegt er einige Jahrhunderte daneben.
Immerhin: Erst in der englischen Grossloge der Antients (nach 1751) ist die
Bibel kein «furniture» mehr, sondern eines der drei «grossen Lichter» (
Dyer, 115; vgl. Lennhoff/ Posner, 176); desgleichen im Kat e c h i s m u s
des Schottisch Rektifizierten Systems von 1782 (Imhof, I, 111). Dass die
Bibel in fernen Ländern durch ein anderes Buch ersetzt werden kann, das «den
Willen oder das Gesetz Gottes» enthält, wurde erst 1816 bestimmt ( Dyer,
115- 116).
In Artikel 18 der Rochlitzer Steinmetzordnung von 1462/86 ist festgelegt,
dass der Parlier bei Massstab und Winkelmass zu den Heiligen schwören muss,
den Meister vor Schaden zu bewahren. Klaus C. F. Feddersen (471) erwähnt,
dass in der Sloane-Handschrift von 1664 (bereits 1646?), bei der Frage 5 der
Maurer vereidigt wird «bei Gott und dem Winkelmass » . Im ersten Freimaurer-
Katechismus von 1696 schwört der Lehrling «bei Gott dem Allmächtigen und dem
Heiligen Johannes auf Winkelmass, Zirkel und Zollstab» (Imhof, II, 61;
Knoop/Jones, 217, 234 geben an, «der gemeine Massstab » , common judge,
könnte auch die Bibel gewesen sein).
Der Schwur aus der Handwerkertradition
Auch der Eid auf Hals, Herz und Eingeweide stammt aus der
Handwerkertradition. Der Jesuit Michel Dierickx weist (133) sogar auf eine
Bibelstelle beim Propheten Jeremia (34, 18-20) hin, dazu auf ein Dekret des
Bürgermeisters von Hull aus dem Jahre 1451, welches bereits die extremste
Form der Bestrafung für den Eidbruch beschreibt. Dierickx folgert, «dass die
traditionsbewussten Briten die alten Strafen aus reinem Konservatismus in
ihrer Freimaurerverpflichtung beibehalten hab e n » . Laut Lennhoff/ Posner
(404) ist der Eid bei den Freimaurern erst «gegen Ende des 17. Jahrhunderts»
eingeführt worden (laut Mellor, 338, etwas s p ä t e r ) . Laut Imhof (I,
107; auch Knoop/ Jones, 217) wird die Durchschneidung der Gurgel schon im
Katechismus von 1696 erwähnt. Die Formulierung soll lauten: « . .. unter
keiner minderen Strafe, als dass mir die Zunge unter dem Kinn abgeschnitten
und verbrannt werde» ( Imhof, II, 62).
Knoop/ Jones meinen (218; vgl. 251), das zeige, «dass mit der Erteilung
der Geheimnisse des eingetragenen Lehrlings ein gut Teil Schabernack
verbunden war».
Das Zeichen und die Zeichen: bereits 1144?
Alec Mellor (47) berichtet in einem nicht näher definierten Zusammenhang
mit dem «Regensburger Statut» von 1459, dass bereits das Zeichen in der
Andeutung des Winkelmasses bestand, «indem man die geöffnete Hand an die
Kehle und sodann an die rechte Schulter führte».
Eugen Weiss (67; auch zitiert bei Schottner, 115) verkündet: « Dieses
Halszeichen finden wir schon im Jahr 1144 am Westportal des Stefans- Dom zu
Wien eingehauen, im Brustbild eines bärtigen Mannes, Steinmetzen. List
deutet es sehr gut: «Eher lasse ich mir den Hals abschneiden, ehe ich das
Geheimnis verrat e » . Es könnte sich aber auch nur um einen Mann handeln,
der seinen Spitzbart mit der Hand anfasst. Eine weitere Figur, ein Steinmetz
am Bogen des Riesentores von St. Stephan in Wien stellt einen Gesellen «im
Zeichen» dar und stammt aus der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts (Düriegl,
Winkler, 88). Eine dramatische Darstellung des Halszeichens mit einem
grossen Messer findet sich auf dem ersten Bild der «Ars moriendi» von 1470.
Eine Serie Photos von Konsolfiguren am Dachstuhl der Münchner
Frauenkirche aus der Zeit von etwa 1480, vermutlich aus der Werkstätte des
Meisters Erasmus Grasser, zeigt eine erstaunliche Fülle von Zeichen, welche
als «geheime Hüttensprache» der Bauhandwerker gedeutet werden. Es sind
Mitteilungen des Erkennens, der Begrüssung, der Rangordnung und der
Schweigepflicht.
Gruss und Stellungen
Das Mittelalter hielt auf Einfachheit, und so lautete denn der Gruss,
welcher der deutsche Geselle an eine neue Hütte richtete, schlicht: «Gott gr
ü sse euch, Gott weise euch, Gott lohne euch» (1462, Torgauer Ordnung, Art.
107).
Das weitverbreitete Examen eines Steinhauergesellen «Mit Gunst und
Erlaubnis …» (z. B. Peuckert, 561-565) stammt entgegen den Behauptungen von
Carl Heideloff (1844) nicht aus der Zeit der Gotik, sondern aus dem 18.
Jahrhundert.
Dasselbe wird auch für die so genannte «Irrbank» und die verschiedenen
«Stellungen» gelten, mit denen ein rechter Winkel oder ein Dreieck gebildet
wurde (Peuckert, 560-561).
Was ist «das geschenke»: Griff oder Schmaus?
Bis heute viel zu rätseln gegeben hat «das geschenke». Eine genaue
Betrachtung der Torgauer Ordnung von 1462 lässt vermuten, dass es sich um
einen Umtrunk handelte, nicht um einen Handgriff. Das ergibt sich auch aus
dem Verb «verschenken». Ferdinand Janner (1876) schreibt, es bedeute «einen
Trunk oder Schmaus geben». Allerdings übersetzt er «geschenke» in Art. 107
mit «das Geschenk» und erläutert das Wort in Art. 59 mit dem merkwürdigen
Wort «Bestgaben».
Jedenfalls ist hier von Geheimhaltung noch nicht die Rede. Sie wird erst
in der Steinmetzordnung vom Jahre 1563 verlangt. Hier heisst es in Art. 55,
wenn ein Lehrling zum Gesellen befördert («ledig gesprochen») worden ist,
müsse er «bey seinen trewen und ehren an eyds statt geloben, bey verlierung
des Steinmetzen Handtwercks, dass er den Steinmetzen gruss und auch die
schenk niemands wölle öffnen oder sagen, dann den ers sagen soll, auch gar
nichts darum auffschreiben».
Die vielfach angegebene Übersetzung mit «der» oder «die Handschenk», und
die Behauptung, damit sei der Griff des Freimaurerlehrlings gemeint,
überzeugt nicht – auch wenn sie noch 1991 Alfred Schottner (112, 113, 115)
wiederholt. Etwas später beschreibt Schottner (123f) das «Geschenk»
ausführlich als Imbiss.
Das Vorlesen der «Geschichte» und der Pflichten
Am erstaunlichsten in das Vorlesen der phantastischen «Geschichte» der
Königlichen Kunst und der Pfl i c h t e n . Gemäss Knoop/Jones (84, 86, 226,
228, 236, 244f) wurde es schon in operativen Zeiten praktiziert, vielleicht
schon um 1400. Imhof (II, 61) bringt als Belege zwei Dokumente von 1696 und
1700, Lennhoff/ Posner (Sp. 595) bringen zwei Belege von 1722 und 1723.
Um 1700: Am Anfang karge Symbolik
Gemäss den Nachschlagewerken waren die Rituale am Anfang der modernen
Freimaurerei (also nach 1700) recht einfach und die Symbolik noch nicht sehr
reichhaltig. Lennhoff/Posner (Sp. 562) betonen: Die gesamte Symbolik der
damaligen Logen verharrte vollkommen in der alten Steinmetz- Tradition (Sp.
562; vgl. 559, 561; vgl. 1165; auch Hamill, 165-166).
Auch Paul Naudon (75) meint, die ursprünglichen Rituale seien äusserst
karg und einfach gewesen; erst eine Generation später sei das Bedürfnis nach
Vergeistigung, d. h. Mystizismus und Illuminierung aufgekommen. Zum Beginn
der Symbolik in der Freimaurerei äussert sich Gottlieb Imhof an
verschiedenen Orten verschieden und erst noch missverständlich: Im einen
Buch (II, 65f) erwähnt er den Beginn des 18. Jahrhunderts und die zweite
Hälfte des 18. Jahrhunderts. Im andern (I, 49) behauptet er gar: «Die
Symbolik ab e r, der spezifisch freimaurerische Kern unserer Institution,
erfuhr erst seit der Gründung der Vereinigten Grossloge [also seit 1813]
eine Vertiefung und Bereicherung».
Aus dem Bauwesen oder aus der Religion?
Etwa 30 Symbole kommen (laut Gantner, 104) aus dem Bauwesen, also aus der
Werkmaurerei. D abei sind nicht nur viele Werkzeuge, sondern auch die drei
Grade, die Steine und der Tempel, die Arbeit am Tempel der Humanität und der
Bauriss, die Säulen und der Schurz, das musivische P flaster und der
Schlüssel und der «Allmächtige Baumeister aller Welten » . Gottlieb Imhof
behauptet demgegenüber, die Säulen und das musivische Pflaster entstammten
christlich-jüdischer Herkunft, der Schurz und die Handschuhe nicht der
Werkmaurerei, sondern alten Zunftbräuchen (II, 72). Von «Ursymbolen» spricht
Reinhold Dosch (274). Er zählt dazu Kreis, Quadrat und Dreieck sowie den
Flammenden Stern, das Kreuz und das Buch des Heiligen Gesetzes. Dazu die
Symbole der Sterblichkeit, wie Sanduhr, herunterbrennende Kerze,
Totenschädel und Sarg.
Nach Allan Oslo rührt die Symbolik der Freimaurer mehr von der Bauhütte
als vom Ritterorden her (51).Andernorts (164, 182) verweist er jedoch auf
die Klöster, Templer und Humanisten sowie Presbyterianer.
Von den alten Ägyptern oder aus dem Evangelium?
Laut Endres ist der «rauhe Stein» als Symbol uralt «und wurde schon in
der ägyptischen Esoterik verwendet». Es findet sich die Darstellung der Isis
…, die auf ihrem Schosse den rohen zu bearbeitenden Stein wie ein Kind hält.
( 62).An anderer Stelle ist es allerdings ein behauener Stein (92). Von den
zugerichteten Steinen ist beim Bau des Salomonischen Tempels die Rede
(1.Kön. 6, 7), vom Stein, den die Bauleute verworfen haben, und der zum
Eckstein geworden ist, in Psalm 118 (22). Auch Jesus verwendet nach Matthäus
das esoterische Symbol des Steines resp. Felsens, als er Petrus einweiht
(Mat. 16, 18; vgl. Lennhoff/ Posner, Sp. 1510). Der Aufbau eines
«geistlichen Hauses» mit lebendigen Steinen wird im 1. Brief des Petrus (2,
4-8) beschrieben.
Als Kleinodien der Maurerloge gibt es zwei behauene Steine bereits im
Katechismus von 1696 (Knoop/ Jones, 221, 235). Die «Arbeit am rauhen Stein»
kommt erst in «A Mason’s Confession» (1725) und bei Prichard (1730) vor. Den
zerbrochenen Stein kennt erst die 1740 gegründete Berliner Loge «Zu den drei
Weltkugeln».
Gott als Baumeister
Das Bild von Gott als Baumeister stammt von den alten Ägyptern (Ptah).
Endres nennt es «primitiv» (70). In Indien galten der vedische Gott Tvashtri
und sein hinduistischer Nachfolger Visvakarma als himmlischer oder
«göttlicher Baumeister» (vgl. auch Endres, 38).Auch im Deuterojesaias (Jes.
40ff; um 540 v. Chr.), dann wieder in den «Sprüchen» (z. B. 8,27) und in der
« Weisheit Salomos» (7,21; vgl. 8,1.5; 9,9; 13,1; 14,2) wird Gott mit seiner
Weisheit als «Bildner» aufgefasst. Bei dem sehr frühen Propheten Amos (um
750 v. Chr.; 7,7) steht der Herr mit einem Senkblei auf der Mauer.
Endres (71) berichtet, dass in den alten Orakelstätten zu Dodona Zeus als
«Allmächtiger Baumeister der Welt» dargestellt und verehrt wurde. Der
griechische Philosoph Platon sah (im «Ti m a i o s » , 350 v. Chr.) Gott
ebenfalls als «Demiurg», d.h. Baumeister und Füger des Kosmos.
Im Neuen Testament (Hebr. 11, 10) wird berichtet, dass Abraham wartete
«auf die Stadt, die die festen Fundamente hat , deren Erbauer und Schöpfer
Gott ist». Im 1. Korintherbrief (3,9-10) erläutert Paulus: «Gottes Bau seid
ihr. Nach der mir verliehenen Gnade Gottes habe ich als weiser Baumeister
den Grund gelegt».
Im Cooke-Manuskript heisst es: founder and former of Heaven and of earth
and of all things that in him is (Lennhoff/ Posner, Sp. 135).
Symbole und Losungsworte aus der Bibel
Auffallend viele Symbole stammen aus der Biblischen Geschichte. Charles
v. Bokor (13, 61) behauptet, «dass die meisten Losungsworte und Riten der
Freimaurer aus dem Hebräischen stammen» (vgl. auch Binder, 24ff; Lennhoff /
Posner, 1543). Dazu liefern Lennhoff/ Posner (Sp. 51, 176- 179, 679- 680,
797-798) informative Klarstellungen.
Grundsätzlich bauen die Freimaurer bis heute am Salomonischen Tempel ( 1.
Kön. 5-7; 2. Chron, 2- 5), den sie den «Tempel der Humanität» nennen. Aus
der Bausymbolik an Gegenständlichem, zum Lehrbild Umgestalteten, wurden
übernommen:
- die Orientierung des Tempels von Osten gegen Westen,
- die beiden Vorhofsäulen,
- das Mosaikpflaster,
- die mittlere Kammer und
- die Lichter …
Daneben bemächtigt sich die freimaurerische Symbolik der aus der Bibel
bekannten und zwar in den biblischen Rahmen passenden, aber frei erfundenen
Personen. Der Salomonische Tempel ist das Lehrbild, das alle anderen Symbole
aus sich entwickeln lässt, um sie wieder in eine Einheit zusammen zu fassen.
Die Werkzeuge des Freimaurers sind Mittel zum Zweck der Errichtung, des
Aufbaus. Deshalb nennt der Freimaurer sein Tun eine Bauarbeit. Endziel ist
der Menschheitstempel zur Ehre des Allmächtigen Baumeisters aller We l t e n
, der die Menschen in moralischer Gleichwertigkeit und ethischer
Übereinstimmung in gemeinsamen Arbeiten am Bauziel vereinigen soll
(Lennhoff/ Posner, Sp. 1567).
Paul Naudon (14) meint: «Der Idealtempel Salomons wird häufig in
Verbindung gebracht mit dem Himmlischen Jerusalem, wie es in der A p o k a
lypse angekündigt wird».
Die beiden Säulen, die einst alle Weisheit vor der Sintflut bewahrten
(Cooke- Manuskript),wurden erstmals in einem Bericht aus Schottland von 1696
als diejenigen des Salomonischen Tempels umgedeutet (1. Kön. 7, 15-22; 2.
Chron. 3, 15-17; Knoop/ Jones, 92, 225; siehe auch Endres, 102- 103). Die
beiden Säulen finden sich bereits um 1230 vor der Taufkapelle des Würzburger
Doms (Lennhoff/ Posner, Sp. 679, 1566; Biedermann, 82; Düriegel, Winkler,
98- 99). Weitere Säulen dieser Art finden sich vor dem Dom in Ferrara
(1135), auf der Kaiserpfalz zu Wimpfen (1260), in Lucca in der Kirche
St.Michele (1250), in Como (um 1225) und im Dom zu Modena. Eine interessante
Bemerkung findet sich bei Knoop/ Jones (252): « Die Form der ‚alten’ Loge
war kreuzförmig (vermutlich eine Anspielung auf die christliche Grundlage
der Maurerei), die ‚der neuen Logen nach den Desaguliers’schen Vorschriften’
war rechteckig (vermutlich ein Hinweis auf ihren nicht-konfessionellen
Charakter)».
In der Mitte des Freimaurerwappens erscheint der Buchstabe G. « Die
englischen Freimaurer sind der Ansicht, ‚G’ bedeute ‚GOD’, Gott, oder die B
u c h s t aben G. O . D . , die hebräischen A n f a n g s b u c h s t aben
der drei Leitgedanken des Ordens: Klugheit, Stärke und Schönheit (gomar, oz,
dabar)» (v. Bokor, 66; Binder 335).
Zehn Gebote und die «allumfassende Menschenliebe» gebildet wird, betonen
Lennhoff/ Posner (Sp.1464; ähnl. 1302; vgl.717). D a s Johannisfest ist das
Fest der Liebe (Sp. 935), das Brudermahl ist die Agape (Sp. 26).
Oberste Leitlinie der Grossen Landesloge der Freimaurer von Deutschland
ist heute noch «die Nachfolge des ‚Obermeisters’ Jesus Christus».
Lehren und Symbole durch Sprachgesellschaften vermittelt?
In einer seiner Studien behauptet Ludwig Keller, «dass die sogenannten
Sprachgesellschaften des 17. Jahrhunderts unter dem Schleier des
Geheimnisses … in den Formen der damaligen ’Ordens-Systeme’ gearbeitet
haben» (1909, 1, 58f). «Das Wesen dieser ‚Orden’ wird dadurch
gekennzeichnet, dass sie Tempel und Altäre besassen, und dass unter ihnen
ein festes System von Lehren und Lehrzeichen überliefert war, das den
Eingeweihten die Anschauungswelt der Humanitätslehre vermittelte, dass sie
mithin stille Kultverbände waren» (1909, 1). Keller meint, «die Namen,
Lehrzeichen und Symbole » ,welche die Freimaurer seit ihrer offiziellen
Gründung 1717 brauchen, «sind bereits Jahrhunderte zuvor in dem gleichen
Sinne ... in aller Stille zur Verwendung gekommen» (1909, 18).
Erstaunliche Beispiele finden sich in Publikationen der bekannten
deutschen «Fruchtbringenden Gesellschaft» oder «Palmengesellschaft» seit
1643. Es gibt Darstellungen von Symbolen in den Bildersammlungen von Franz
Ludwig von dem Knesebeck (1643), Ludwig von Anhalt- Köthen (1646), Gustav
von Hille (1647) und Georg Neumark (1668) – alle nachgedruckt 1970 im Verlag
Kösel, München.
Eine wichtige Rolle könnte die 1580 gegründete Gesellschaft Zum Kreuz,
die sich auch die unzertrennliche Gesellschaft (Gesellschaft der
unzertrennlichen Freunde) oder «Hauptloge Indissolubilis» nannte, gespielt
haben. ( Sie läuft auch unter den Bezeichnungen «Brüderschaft zum heiligen
Kreuz» und «Orden der Amizisten».) Die Sammlung «der Gesetze, Geheimnisse,
Sitten und Gewohnheiten des Bundes der Unzertrennlichen» von 1778 ist
vermutlich eine Abschrift von Dokumenten aus dem Jahre 1680 (kritisch dazu
Lennhoff/ Posner, Sp. 1158).
Als «Humanistenbünde» (oder «Sozietäten des Humanismus») erwähnen
Lennhoff/ Posner (Sp. 1470-71) die Rhetoriker des Holländer Dirck Volkertson
Coornhert (um 1580) und die wissenschaftliche Gesellschaft des Basler
Alchemisten Leonhardt T h u r n eysen (seit 1571). Letzterer hat eine quad r
atische Tischdecke («Wappenteppich») mit der Darstellung von allerlei
Werkzeugen von Steinmetzen und anderen Handwerken zwischen zwei Säulen
angefertigt.
Attribute der «Vier Gekrönten»: Palmzweige und Werkzeuge
Alec Mellor (325f) behauptet, die Attribute der «Vier Gekrönten» seien
Säge, Hammer, Zirkel und Winkelmass. Zwei Darstellungen der Vier Gekrönten
mit Werkzeugen finden sich bei Feddersen (497, 499): Sie stammen aus den
Jahren 1500 und 1550. Auf der mit 1592 datierten Handwerkslade der Basler
Steinmetzen sind zwei Darstellungen Gekrönter mit Winkelmass und Massstab
erhalten.
In der Kirche von Arzo im Tessin finden sich vier 1,8 Meter hohe Statuen
der Gekrönten aus dem 17. Jahrhundert mit folgenden Attributen: Severio: In
der linken Hand ein Palmzweig. Neben dem rechten Bein ein geöffneter Zirkel.
Severiano: in der rechten Hand ein Buch mit einem Palmzweig. Carposorio:
Linke Hand mit Palmzweig auf der Brust. Unten seitlich zwei Fäustlinge.
Vitorino: Mit beiden Händen ein Blatt (Plan?) haltend, dazu Palmzweig in
der rechten Hand. Neben dem linken Fuss ein Fäustling. (siehe auch Alpina
Nr.3/2005, Seiten 75 und 87)