Jeder Mensch hat die Verpflichtung, auf den Mitmenschen Rücksicht zu
nehmen
Menschenrechte sind ohne Menschenpflichten nicht möglich
Vor der Menschenrechtskommission der UNO liegt seit 1997 der Entwurf
für die Allgemeine Erklärung der Menschenpflichten. Leider ist er nicht über
den Entwurf hinaus gekommen und liegt irgendwo in einer Schublade. Der Autor
ist der Meinung, dass es Zeit wäre für eine allgemeine Charta der
menschlichen Verpflichtungen.
Max P. Oesch, Loge Libertas et Fraternitas, Zürich (Schweizer
Freimaurer-Rundschau: April 2007)
Der Mensch setzt – mindestens teilweise – die Ursache für seine
Handlungen selber. Dies setzt allerdings voraus, dass er frei, wirklich frei
und fähig ist, zwischen zwei Alternativen eine verantwortliche Wahl zu
treffen. Wer in diese Freiheit – mit der eigenen Vernunft zu erkennen,
welcher Entscheid richtig ist und die Fähigkeit entsprechend dieser Einsicht
zu handeln – eingreift, verletzt die Freiheit dieses Menschen.
Betrachten wir zuerst die Geschichte der Menschenrechte. In vielen
Philosophien und Kulturen findet sich die Vorstellung, dass die menschliche
Person unverzichtbare Rechte hat. In einem schriftlichen Akt findet sie sich
aber erst in der berühmten englischen Magna Charta von 1215. Im englischen
Königreich des 17. Jahrhunderts kam erstmals über eine unblutige Revolution
ein liberaler König auf den Thron. Er bekannte sich mit seinem Parlament zu
einem Menschenrechtskatalog (Bill of Rights 1689), der die Grundlage wurde
für alle späteren Menschenrechte, angefangen von der amerikanischen
Unabhängigkeitserklärung von 1776, über die Menschenrechtserklärung der
französischen Revolution, die Bill of Rights der amerikanischen Verfassung
bis zu den modernen Menschenrechtserklärungen der Vereinten Nationen und des
Europarates. Die Menschenrechte haben also ihren Ursprung zweifelsohne in
den verschiedenen demokratischen Revolutionen, die seit dem 17. Jahrhundert
eine absolutistische Regierung nach der andern hinweggefegt haben. Der
Ausspruch des französischen Königs Louis XIV («L’Etat, c’est moi») zeigt den
diesbezüglichen Hintergrund deutlich auf.
Die Menschenrechte entsprechen dem Menschenbild der Aufklärung.
Der «aufgeklärte» Mensch kann als Individuum über sein Schicksal selbst
und mit eigener Verantwortung bestimmen. Niemand, auch nicht der Staat, darf
ihn daran hindern. Alle späteren Demokratiebewegungen im 18. und 19.
Jahrhundert haben dieses Menschenbild übernommen.
Die marxistische Lehre und damit die kommunistische Partei haben Ende des
19., anfangs des 20. Jahrhunderts aber ein völlig neues Menschenbild
geprägt. Der ausgebeutete Mensch kann nicht erkennen, was für ihn gut ist.
Aufgabe des Staates ist es, den Menschen zu verändern, damit er seine
Freiheit «vernünftig» gebrauchen kann. Er muss solange bearbeitet,
indoktriniert werden, bis er seine Vernunft richtig und nach den
Vorstellungen der Nomenklatur anwenden kann. Dass es in diesem System keinen
Platz für die Menschenrechte hat, liegt auf der Hand.
Es folgten in Europa die Bestrebungen, welche die Menschen in Klassen
einteilte; die einen waren die Übermenschen, die andern die Untermenschen.
Die «Arier» in Nazi-Deutschland haben zu den schlimmsten Auswüchsen geführt,
bei denen die einen (Juden) «ausradiert», die anderen, besonders slawische
Völker, weil minderwertig, als «Knechte» ausgenutzt wurden. Die Umsiedlungen
und ethnischen Säuberungen nicht nur zu Beginn des 20. Jahrhunderts
(besonders in der Sowjetunion, China und Japan) sondern auch in den späten
90er Jahren (besonders im Balkan) haben andere, ähnliche und zum Teil noch
schlimmere Auswüchse gebracht, bedingt durch einen absolutistischen
Nationalismus, welcher den Menschen nur als Teil des Kollektivs der Nation
anerkennt und seinen individuellen Verstand und seine Vernunft verneinen.
Wo stehen wir diesbezüglich heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts? Kein
Tag vergeht ohne Meldungen in Presse, Radio und Fernsehen, in denen
Menschenrechtsverletzungen angeprangert werden. Es gibt deshalb keinen
Grund, in den Bestrebungen nach besserem Schutz der Menschenrechte
nachzulassen. Wie aber können wir den Schutz verbessern oder mindestens
erreichen, damit dieser nicht vermindert wird? Und wie steht es mit den
Menschenpflichten?
Freiheit wovon oder Freiheit wozu
Bruder Peter Ritter hat in seinem Artikel «Gegen jede Art von
Vorurteilen» (Alpina 12/99) eine sehr treffende Aussage gemacht: «Wir und
unsere Gesellschaft haben den Begriff der Freiheit, gerade den der
Meinungsäusserung, auch jeder Verantwortung entkleidet. Die Frage ‚Freiheit
wovon?‘ wird eben sowenig gestellt wie die Frage ‚Freiheit wozu?’ ‚Freiheit
von‘ heisst heute meist Freiheit von Verantwortung. Verantwortung zur
Gründlichkeit, Verantwortung gegenüber den Folgen der gewährten und
benützten Freiheit. Freiheit zum Geschrei und zur verantwortungslosen
Spekulation, die schlagwortartig als Wahrheit verkauft wird».
Ich weiss aus verschiedenen Gesprächen mit Brüdern, dass oft die Meinung
vertreten wird, es sei störend, wenn nur von Menschenrechten, nicht aber von
Menschenpflichten gesprochen werde. Rein sprachlich, textlich ist diese
Meinung richtig. Als Beispiel weise ich auf die Allgemeine Erklärung der
Menschenrechte der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1948 hin. Darin
werden in der Tat nur die Rechte des Menschen aufgelistet, unter anderem die
beispielhaft oben aufgeführten, nicht aber die Menschenpflichten. Einzig in
Artikel 29 erscheint der Begriff «Grundpflichten»:
- Jeder Mensch hat Pflichten gegenüber der Gemeinschaft, in der allein
die freie und volle Entwicklung seiner Persönlichkeit möglich ist.
- Jeder Mensch ist in Ausübung seiner Rechte und Freiheiten nur den
Beschränkungen unterworfen, die das Gesetz ausschliesslich zu dem Zwecke
vorsieht, um die Anerkennung und Achtung der Rechte und Freiheiten der
anderen zu gewährleisten und den gerechten Anforderungen der Moral, der
öffentlichen Ordnung und der allgemeinen Wohlfahrt in einer
demokratischen Gesellschaft zu genügen.
- Rechte und Freiheiten dürfen in keinem Fall im Widerspruch zu den
Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen ausgeübt werden.
Mit der Brille eines Freimaurers wäre der folgende, einfache, wesentlich
kürzere und besser verständliche Text vorzuziehen: «Jede Person hat bei der
Ausübung ihrer Rechte die Pflicht, auf die Rechte anderer Rücksicht zu
nehmen».
Ich könnte hier auch die Brille von Rosa Luxemburg aufsetzen, die einmal
gesagt hat: «Meine Freiheit ist die Freiheit der anderen».
Es ist die rechte Zeit, von den Menschenpflichten zu sprechen
1997 hat die UNO zwei Geschenke erhalten. Einmal hat der amerikanische
Unternehmer Ted Turner der UNO eine Milliarde Dollar gestiftet. Und zweitens
hat der Inter-Action Council (IAC), ein weltweiter Zusammenschluss
ehemaliger Staatsmänner, der UNO einen Entwurf für eine Allgemeine Erklärung
der Menschenpflichten unterbreitet mit dem Antrag, dieser sei in der
Generalversammlung zu verabschieden.
Diese beiden Geschenke sind unterschiedlich aufgenommen worden: Das erste
war bei der konstant bestehenden Finanzmisere der UNO hoch willkommen (es
entzieht sich meiner Kenntnis, zu welchem Zweck der gestiftete Betrag
gebraucht oder verbraucht wurde). Beim zweiten tat und tut sich die UNO sehr
schwer. Noch heute ist die Debatte in der UNO – also zehn Jahre nach Erhalt
des Entwurfes – noch immer nicht über die Ebene von Unterkommissionen
hinausgekommen. Die UNO ist noch weit davon entfernt, der Generalversammlung
die Allgemeine Erklärung der Menschenpflichten zur Diskussion zu
unterbreiten.
Helmut Schmidt, der ehemalige deutsche Kanzler, (damals) Herausgeber der
«ZEIT» und Ehrenvorsitzender des IAC hat darüber eine beachtenswerte
Publikation herausgegeben.
Die Darlegung dieser 18 Gebote der Allgemeinen Erklärung der
Menschenpflichten des IAC würde den Rahmen dieses Essays bei weitem
sprengen. Es wäre aber sehr interessant und lehrreich, sich mit den
Darlegungen der Kritiker aber auch den zustimmenden Ausführungen der
Befürworter auseinander zu setzen. Zu den Kritikern in der erwähnten
Publikation gehören Carl Amery, Schriftsteller und bis 1991 Präsident des
westdeutschen PEN-Clubs und Volkmar Deile, Generalsekretär der deutschen
Sektion von Amnesty international. Als Befürworter meldeten sich Hans Küng,
emeritierter Professor für ökumenische Theologie in Tübingen; Norbert
Greinacher, emeritierter Professor für praktische Theologie in Tübingen und
die zwischenzeitlich verstorbene Marion Gräfin Dönhoff, Herausgeberin der
«Zeit» in der Öffentlichkeit.
Die Argumentation von Helmut Schmidt
Es ist selbstverständlich, dass eine Nation nach dem Ende einer Diktatur
die Gewährleistung der Menschenrechte als eine ihrer vordringlichsten
Aufgaben anpackt. Ebenso war auch nach der Hitlerschen Diktatur in Europa
und der japanischen Militärdiktatur in Ost- und Südostasien die
Menschenrechtserklärung der Vereinigten Nationen 1948 eine natürliche,
notwendig gebotene und gute Entscheidung.
Mit der Etablierung der fundamentalen Rechte des Einzelnen geht die
Schaffung einer demokratischen Staatsorganisation Hand in Hand. So ist es,
gottlob nach Mussolini und Hitler geschehen, so auch in der östlichen Hälfte
Europas nach dem Ende der kommunistischen Diktaturen. Dagegen zeigt die
Erfahrung der letzten Jahrzehnte leider auch, dass Demokratie und
Menschenrechte bloss Papier bleiben können, wenn eine Regierung beim blossen
Bekenntnis verharrt und sowohl alltäglich als auch besonders in Notlagen
versäumt, für Demokratie und Menschenrechte einzustehen. Umgekehrt liegt für
manch einen das Missverständnis nahe, als ob seine persönliche Freiheit
bedeute, seine Rechte – und seine Ansprüche – ohne eigene
Verantwortlichkeiten auszuüben und verwirklichen zu dürfen. Wenn aber
jedermann ausschliesslich seine eigenen Rechte verfolgte und keinerlei
Pflichten und Verantwortungen akzeptierte, dann kann ein Volk und sein Staat
oder die Menschheit als Ganzes in Feindschaft, in Konflikte und schliesslich
in Chaos verfallen.
Ohne Verantwortungsbewusstsein der Einzelnen kann Freiheit verkommen zur
Vorherrschaft der Starken und der Mächtigen. Deshalb ist es eine stetige
Aufgabe der Politiker und der Staatsbürger, Rechte und Verantwortlichkeiten
im Gleichgewicht zu halten
Heute, beinahe ein halbes Jahrhundert nach der Proklamation der Universal
Declaration of Human Rights, ist deren notwendiger sittlicher Imperativ
gegenüber der Menschheit und ihren über zweihundert Staaten in Gefahr. Denn
zum einen wird das Stichwort «Human Rights» von einigen westlichen
Politikern, zumal in den USA, als Kampfbegriff und als aggressives
Instrument der aussenpolitischen Pression benutzt. Dies geschieht zumeist
durchaus selektiv: z.B. gegenüber China, Iran, Libyen, Irak, Nordkorea nicht
aber gegenüber Saudi-Arabien, Israel oder Nigeria. Die Gründe für solche
Einseitigkeit liegen in ökonomischen und strategischen Interessen.
Zum andern werden die Human Rights von manchen Muslimen, Hindus und
Konfuzianern als ein typisch westliches Konzept aufgefasst und teilweise
sogar als Instrument zur Verlängerung westlicher Vorherrschaft denunziert.
Darüber hinaus hören wir besonders in Asien den ernstzunehmenden, ernsthaft
begründeten Vorwurf, das Menschenrechtskonzept vernachlässige oder verkenne
gar die Notwendigkeit von Tugenden und von Pflichten und
Verantwortlichkeiten des einzelnen gegenüber der Familie, der Gemeinde, der
Gesellschaft oder dem Staat. Manche Asiaten meinen, einen prinzipiellen
Gegensatz zu erkennen zwischen westlicher und asiatischer Auffassung von der
Würde des Menschen.
Zwar ist es unbestreitbar: Menschenbild und Vorstellung von menschlicher
Würde unterscheiden sich innerhalb jeder Gesellschaft oder Kultur, je nach
religiösem oder philosophischem oder ideologischem Standort. Jedoch
herrschen generell tatsächlich grosse Unterschiede zwischen den in Europa
und Nordamerika vorherrschenden Vorstellungen einerseits und den in Asien
vorherrschenden islamischen, hinduistischen, buddhistischen und
konfuzianischen Vorstellungen andererseits, ganz zu schweigen vom
Kommunismus in seinen mehreren Spielarten.
Es ist deshalb denkbar, dass es im 21. Jahrhundert zu einem clash of
civilizations à la Samuel Huntington kommen kann. Die Explosion der
Weltbevölkerung (Vervierfachung) im 20. Jahrhundert und die Zunahme der
Konzentration in Massen-Grossstädten werden sich mindestens bis tief ins 21.
Jahrhundert fortsetzen. Deshalb wird es, ungeachtet des Endes des bipolaren
Konfliktes zwischen der Sowjetunion und dem Westen, auch im 21. Jahrhundert
Machtkonflikte geben. Solche erleben wir gerade jetzt, im Irak und in
Israel/Libanon. Wir hoffen, dass solche Konflikte glimpflicher gelöst werden
als im letzten Jahrhundert. Man muss aber fürchten, dass sie in einen Kampf
zwischen einander prinzipiell und sogar tief gegründet feindlich
gegenüberstehenden Kulturen einmünden könnten. Dabei könnten
Fundamentalisten auf beiden Seiten möglicherweise zu Auslösern und Anführern
massenhafter Hysterien werden. Hier wäre das aktuelle Stichwort «al caida»
zu erwähnen.
Wenn angesichts dieser Gefahr die Nationen und ihre Staaten, wenn die
Politiker und ebenso die Hüter und Bewahrer der Religionen nicht lernen
sollten, ihr religiöses, kulturelles und zivilisatorisches Erbe gegenseitig
zu respektieren, wenn die Menschen nicht lernen sollten, die beiden
kategorischen Imperative der Freiheit und der Verantwortlichkeit miteinander
im Gleichgewicht zu halten, dann kann in der Tat der Friede zwischen ihnen
zerbrechen.
Helmut Schmidt meint deshalb, «dass es fünfzig Jahre nach der Universal
Declaration of Human Rights höchste Zeit sei, ebenso über Human
Responsibilities zu sprechen. Ein Minimum weltweit gemeinsam anerkannter
ethischer Standards wird für das interkontinentale Zusammenleben zur
dringenden Notwendigkeit – nicht nur für individuelles Verhalten, sondern
ebenso für die politischen Autoritäten, für die religiösen Gemeinschaften
und Kirchen, für die international produzierenden, Handel treibenden oder
finanzierenden Konzerne. Die letzteren sind heute in Gefahr sich in einem
neuen, ungebändigten, weltweit spekulativen Raubtier-Kapitalismus
hinzugeben. Die Notwendigkeit des Bewusstseins von der eigenen Verantwortung
gilt ebenso für die international tätigen elektronischen Medien, welche
Gefahr laufen, die Menschen weltweit mit einem Übermass der Darstellung
Gewalttaten und Missbrauch aller Art zu vergiften. Ich will damit sagen,
dass die Medien nicht nur über schlechte, traurige Nachrichten, sondern auch
über gute Nachrichten und Taten (als nachahmenswerte Beispiele) berichten
sollten».
Der Entwurf der Menschenpflichten soll eine Diskussion auslösen
Der Entwurf für die Allgemeine Erklärung der Menschenpflichten soll eine
Diskussion anstossen. Die Hoffnung ist, am Ende zu einer ähnlichen Erklärung
der UNO zu gelangen wie schon 1948, als die UNO unter der Initiative von
Eleanor Roosevelt die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte beschloss.
Ähnlich wie damals die Menschenrechtserklärung, so würde auch die
zusätzliche Verantwortlichkeitserklärung den Charakter eines ethischen
Appells haben, nicht einer völkerrechtlichen Verbindlichkeit. Jedoch sind
auf dem moralischen Boden der Menschenrechtserklärung inzwischen regionale
Menschenrechts-Pakete mit völkerrechtlicher Verbindlichkeit erwachsen, zum
Beispiel die Europäischen Menschenrechtserklärung und die Errichtung des
europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Ich erinnere in diesem
Zusammenhang auch an die Auswirkungen der Helsinki Schlusserklärung der
OSZE.
Der Entwurf der Allgemeinen Erklärung der Menschenpflichten des IAC
unterteilt sich in eine Präambel, die fundamentalen Prinzipien für
Humanität, die Gewaltlosigkeit und Achtung vor dem Leben, die Gerechtigkeit
und Solidarität, die Wahrhaftigkeit und Toleranz, die gegenseitige Achtung
und Partnerschaft und die Schlussbestimmung. Er wiederholt in Art. 4 die
«goldene Regel», die in allen Weltreligionen eine wichtige Rolle spielt und
die Immanuel Kant in seiner verfeinerten Formulierung zum «kategorischen
Imperativ» erhoben hat: «Was Du nicht willst, das man dir tut, das füg auch
keinem andern zu». Im Art. 9 heisst es: «Alle Menschen haben die Pflicht,
Armut, Unterernährung, Unwissenheit und Ungleichheit zu überwinden. Sie
sollen überall auf der Welt eine nachhaltige Entwicklung fördern, um für
alle Menschen Würde, Freiheit, Sicherheit und Gerechtigkeit zu
gewährleisten». Der Art. 15 sagt, die Repräsentanten der Religionen haben
die Pflicht, Vorurteile und Diskriminierung Andersgläubiger zu vermeiden,
vielmehr sollen sie Toleranz und gegenseitige Achtung unter allen Menschen
fördern. Und schliesslich betont der Schlussartikel, dass keine Bestimmung
so ausgelegt werden darf, dass sich daraus irgend ein Recht ergibt, welches
auf Ausserkraftsetzung der in der Menschenrechtserklärung von 1948
aufgeführten Rechte und Freiheiten zielt, kurz um mich zu wiederholen: «Jede
Person hat bei der Ausübung ihrer Rechte die Pflicht, auf die Rechte anderer
Rücksicht zu nehmen».
Mahatma Gandhi hat sieben «soziale Sünden» aufgezählt, an der Spitze
standen «politics without principles» und «commerce without morality».
Können wir dem widersprechen?
Eine öffentliche Diskussion des Entwurfes für die Allgemeine Erklärung
der Menschenpflichten würde dazu beitragen, dass wir uns wieder an die
Grundeinsicht erinnern, nach der wir nicht nur Rechte zur Abwehr fremder
Willkür haben, sondern ebenso Pflichten und Verantwortlichkeiten gegenüber
unseren Mitmenschen. Keine Demokratie und keine offene Gesellschaft kann auf
die Dauer Bestand haben ohne das doppelte Prinzip von Rechten und Pflichten.
Abschliessend stelle ich mit einer gewissen Ernüchterung, um nicht zu
sagen Enttäuschung fest, dass der UNO der Entwurf für die Allgemeine
Erklärung der Menschenpflichten im Jahre 1997 zugeleitet worden ist und
dieses Thema trotzdem seither weder in der Öffentlichkeit (auch nicht in der
UNO), noch in Fachkreisen diskutiert wird.