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Vom Wort und dessen machtvoller Bedeutung
«Am Anfang war das Wort, und das Wort
war bei Gott, und das Wort war Gott.»
(Evangelium nach Johannes
SW – Catena Humanitatis, Zürich
(Schweizer Freimaurer-Rundschau: April 2009)
Das Wort ist als Erkennungszeichen in
Bünden und Bruderschaften weit verbreitet.
So u.a. in der Dreiheit von Zeichen,
Wort und Griff als Erkennungszeichen für
die Zugehörigkeit zur Freimaurerei. In den
Steinmetzenbauhütten war das Wort
wahrscheinlich nicht allgemein üblich, da
hier als Erkennungszeichen das Grussgespräch
verwendet wurde. Doch scheinen
die Steinmetze Schottlands ein derartiges
Wort im Gebrauch gehabt zu haben, denn
es heisst von den als Bauförderern
bekannten Earls of Rosslyn, dass sie
gebunden waren das Maurerwort anzunehmen.
Die Weitergabe des Wortes
gehörte zu jenen Ritualgebräuchen, die in
den alten Manuskripten nicht schriftlich
vermerkt sind. Es lässt sich also schwer
feststellen, wann das Wort als maurerisches
Erkennungszeichen allgemein
üblich wurde, und ob die ersten Wort-
Formen in allen Bauhütten und Logen
auch übereinstimmten. Mit der Entwicklung
der spekulativen Maurerei wurde
das Wort allgemein und in gleicher Form
überliefert und ist seither in der Freimaurerei
einer jener sehr wenigen Bestandteile
geblieben, die geheim zu halten sind.
Es lässt sich auch eine weitere Bedeutung
des Wortes erkennen. Es dient nicht nur
als Erkennungszeichen schlechthin, sondern
es soll auch in Notlagen den unbekannten
Bruder zu Hilfe rufen. Eine
Eigentümlichkeit der Freimaurer-Wörter
ist es, dass sie nur in ganz bestimmter
Weise und nur im Beisein einer zweiten
Person gegeben werden können. Diese
Eigenart geht auf kultische Bräuche
zurück, welche schon im klassischen
Altertum üblich waren. Natürlich gibt es
auch noch das verlorene Wort. Wie es die Bezeichnung sagt, ging dieses verloren
und wurde dementsprechend durch
ein anderes, bleibendes Wort ersetzt.
Mehr über die genaue Erklärung wird
jeder unter Euch erfahren, wenn es aufgrund
seines Grades entsprechend Zeit
dafür ist.
Berühmte Worte von Freimaurern
«Ich nehme immer mit Vergnügen an dem
Glück und der Wohlfahrt einer Gesellschaft
teil, die, so wie diese, ihren Ruhm
in die unermüdliche unausgesetzte Verbreitung
aller Tugenden setzt, die den
rechtschaffenen und wahren Vaterlandsfreund
bilden.»
(Friedrich II., König von Preußen, 1712-1786)
«Die Freimaurerei ist nichts Willkürliches,
nichts Entbehrliches, sondern etwas Notwendiges,
das im Wesen der Menschen
und der bürgerlichen Gesellschaft
gegründet ist.»
(Gotthold Ephraim Lessing, Dichter, 1729-1781)
«Unser Bund hat viel Eigenes, wovon
gegenwärtig nur das eine herausgehoben
werden mag, dass sobald wir uns versammeln,
die entschiedenste Art von Gleichheit
entsteht. Jeder bescheidet sich in
würdiger Gesellschaft in Betracht allgemeiner
Zwecke auf allem Besonderen
Verzicht zu üben.»
(Johann Wolfgang von Goethe, Dichter, 1749-1832)
Wörter gehören zu den ältesten symbolischen
Formen der Menschheit. Ob nicht
z. B. Bilder älter sind, ist eine empirisch
schwer zu beantwortende Frage. Voraus
gingen ihnen jedenfalls erfahrungsbewährte
Wiederholungen konkreter Handlungen.
Ob sich bestimmte Urwörter
annehmen lassen, ist strittig, obwohl die
vergleichende Sprachwissenschaft hieran
arbeitet.
Am verfänglichsten ist die versteckte
Vieldeutigkeit jener Wörter, die wir ununterbrochen
im Munde führen, und die
recht eigentlich als eindeutig gelten.
„Jeder sprachliche Ausdruck ist aber
mehrdeutig." Wer diesen Satz aufstellt,
gibt mit der Behauptung gleichzeitig ein
Beispiel; denn auch das Wort "Mehrdeutigkeit"
lässt sich in mehrfachem Sinne
deuten. Da ist z.B. die Mehrdeutigkeit der
grammatischen Form. Eine Mehrdeutigkeit
anderer Art finden wir beim absoluten
Gebrauch "relativer" Wörter, also bei
Wörtern, die notwendig einer Ergänzung
bedürfen, um einen bestimmten Sinn zu
ergeben, bei denen aber in der Regel jene
Ergänzung wegbleibt, weil wir sie stillschweigend
aus dem Zusammenhange zu
ergänzen gewohnt sind. "Eine neue Briefmarke
- kann eine ungestempelte oder
eine neu angefertigte oder eine Marke von
neuer Zeichnung, oder eine solche sein,
die ein Sammler erst kürzlich erworben
hat. Die Mehrdeutigkeit im engeren Sinn
liegt vor, wenn ein Wort als Name für verschiedene
Begriffe dient: "Schloss" kann
eine Schliessvorrichtung, aber auch ein
Gebäude bezeichnen; "Strauss" einen
Vogel, ein Bündel Blumen oder einen
Kampf bedeuten. In so einfachen Fällen
freilich, wo der Sprachlaut mehr oder
minder zufällig ganz auseinanderfallende
Begriffe benennt, erkennt auch der
Dümmste ohne Weiteres den mehrfachen
Sinn. Verzwickter wird der Sachverhalt,
wenn die Begriffe in nahem Zusammenhange
stehen und sich größtenteils
decken, so dass bei oberflächlicher
Betrachtung nur ein Begriff vorzuliegen
scheint. Und dieser Fall ist der typische.
Man kann behaupten, dass in diesem
Sinne alle Wörter - mit verschwindenden
Ausnahmen - mehrdeutig sind. Man sagt: Worte sind Zeichen für Begriffe. Richtiger
ist es wohl zu behaupten, dass Worte auch
als Zeichen für Begriffe dienen müssen.
Denn welche Theorien über Wesen,
Bedeutung und Entstehung der Begriffe
man auch vertreten mag: vom Standpunkt
der Logik wird man immer fordern
müssen, dass sie eine unzweideutige,
klare Grenze aufweisen, dass sie einen
bestimmten Inhalt und Umfang haben.
Und Begriffe dieser Art werden durch
Worte nicht ohne weiteres bezeichnet.
Worte sind vielmehr im allgemeinen Zeichen
für ziemlich unbestimmte Komplexe
von Vorstellungen, die in mehr oder minder
loser Weise zusammenhängen.
Das Wort ist aber auch Macht
Wer dies nicht wahrhaben will, kennt
seine Verantwortung nicht. Macht wird
oft fälschlicherweise mit absoluter
Macht gleichgesetzt und daher heruntergespielt.
Manche hochrangige Persönlichkeit
behauptet von sich bescheiden,
keine Macht auszuüben. Einige glauben
es sogar tatsächlich! Sie sieht nur ihre
Ohnmacht gegenüber anderen politischen,
medialen oder wirtschaftlichen
Kräften. Dennoch hat sie Einfluss, keinen
allmächtigen, aber eben doch Einfluss.
Einfluss ist Macht. Wer Macht ausübt,
ohne es zu wissen, kann seine Verantwortung
nicht wahrnehmen. Das ist beim
Wort nicht anders. Auch das Wort bedeutet
nicht Allmacht, denn das Bild vermag
ebenfalls zu verändern und Taten oder
Waffen verändern unmittelbarer als das
Wort. Dennoch bedeutet das Wort Macht.
Es ist die Gestalt unserer Gedanken.
Gedanken erzeugen dadurch, dass sie
gesprochen oder geschrieben werden,
Wirkung. Sie bewegen uns selbst zu
Taten, regen andere Menschen zu Gedanken,
zu einer Überzeugung an, die sie
ihrerseits in Worte fassen oder in Taten
umsetzen. Dadurch üben Worte Einfluss
aus. Und das ist Macht. Man sagt auch:
- aus Gedanken ergeben sich Worte,
- aus Worten werden Taten,
- aus Taten werden Gewohnheiten,
- aus Gewohnheiten bildet sich der Charakter
- aus dem Charakter ergibt sich das Schicksal
Wer mit Worten arbeitet, sei es in den
Medien, in der Politik, Kirche oder Wirtschaft,
der muss das wissen, sonst ist er
sich seiner Verantwortung nicht bewusst.
Schon nur einzelne Wörter üben Macht
aus:
- „Schein-Invalide“: Wörter können Geschosse sein.
- „Ökoterroristen“: Wörter können zum Bumerang werden.
- „Freude herrscht!“: Wörter können Flügel erhalten
Wörter können verräterisch sein: In Bern
prangte an der Baustelle für das neue
Gebäude, in welchem die Journalisten der
schweizerischen Medien die Geschehnisse
im Bundeshaus verfolgen, in gigantischer
Grösse das Wort „Bundesmedienhaus“.
Das Wort verrät einiges über das
Medienverständnis. Ein und dasselbe
Wort kann Gegensätzliches bewirken.
Das Wort Europa bzw. Euro löst einmal
Freude, das andere Mal Pfiffe und Murren
aus. Wörter können Hoffnung verleihen,
wie „Sozialismus“, „Perestroika“, „Glasnost“
oder „liberté, égalité, fraternité“.
Dieselben Wörter können aber auch zur
Guillotine oder in das Arbeitslager führen.
Mächtiger als Wörter sind Worte, Worte
als Ausdruck komplexer Gedankengänge
oder Überzeugungen: Wie bereits
erwähnt „Am Anfang war das Wort.“ Das
heisst: Das Wort ist die Quelle der Sinngebung
unserer Welt. „Das Wort“ bedeutet
unsere Fähigkeit, Zusammenhänge zu
verstehen, abstrakt zu denken und uns in
Begriffen zu äussern. Worte sind das
Berufswerkzeug von Kultur, Politik,
Medien und Wirtschaft. Kolumnen,
Romane, Flugblätter und Streitschriften
haben seit je die Welt bewegt. Die Zehn
Gebote, Luthers Thesen, die Erklärung der
Menschenrechte, das sind Worte, welche
die Welt veränderten. Nicht jede Veränderung
ist von allen gewünscht. Deswegen
können Worte ins Gefängnis bzw. zur
Ächtung führen, was Galileo Galilei,
Vaclav Havel oder Nelson Mandela
widerfuhr. Damit Macht nicht zur Willkür
verkommt, braucht es das Gegengewicht,
eine Gegenmacht. Das war die Idee der
Gewaltenteilung zu Verhinderung der
Willkür des Staates. So muss es auch mit
der Macht des Wortes sein: Wer redet,
muss die Gegenrede hören. Wer das Wort
benutzt, muss das Anti-Wort, die Antwort
gewähren. Es gibt Medien, die
scheuen die Gegendarstellung wie der
Teufel das Weihwasser. Wer eine
Geschichte nicht zu Ende recherchiert
und seine Thesen nicht verifiziert aus
Angst, „die Story könnte sonst sterben“,
der lässt keine Antwort zu. Die Worte
„Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“ lassen
keine Antwort zu. Wer aber keine
Antwort zulässt, kennt die Ver-ant-wortung
nicht. Nicht immer ist da jemand, der
tatsächlich antworten kann. Dieser
Jemand ist daher in die Gedanken einzubeziehen.
Seine möglichen Fragen sind zu
beantworten, seine Antwort ist in die
eigenen Gedanken einzubeziehen, bevor
diese geäussert werden. Dies ist der Sinn
der Verantwortung: Das Gewissen zu
befragen und dem Gewissen eine Antwort
geben zu können. Dazu gehört die
Erkenntnis, dass Worte Macht sind und
dass sie in Verantwortung wahrgenommen
werden müssen. Wer mit Worten
arbeitet, muss ihre Macht verantworten.
Wörter schaffen Realitäten, mit Wörtern
lässt sich Macht ausüben. Oft reicht
ein einziges Wort, um zu wissen, wo der
Gesprächspartner steht und welche
Argumente man zu erwarten hat. Die
Wortwahl drückt eben eine bestimmte
Sicht der Wirklichkeit aus. Wörter schaffen
geradezu erst die Realitäten, die zu
beschreiben sie vorgeben. So wird
bewusst oder unbewusst vernebelt und
entstellt. Der Ausdruck "Gesprächspartner"
kann beispielsweise darüber hinwegtäuschen,
dass man den anderen tatsächlich
als Gegner und Feind betrachtet.
Auch einen Zustand oder eine Verhaltensweise
als krank zu bezeichnen, ist das
Ergebnis einer Zuschreibung. Im politischen
Alltag sind die unterschiedlichen
Benennungen geläufig, die Konfliktparteien
und ihre Sympathisanten verwenden:
Da nennt die eine Seite eine Aktion
einen Akt der Friedenssicherung, was die
andere als Überfall und Belagerungszustand
bezeichnet. So lässt sich mit Wörtern
Macht ausüben und manipulieren. Es
gibt also vieles, was an der Sprache fasziniert
aber auch beängstigen kann.
Nichts desto trotz ist aber das wohl eindrücklichste,
die grenzenlose Ausdruckskraft.
Wir können über alles sprechen,
über den Beginn der Erde genauso wie
über die letzte Folge unserer Lieblingsserie
im Fernsehen. Worauf beruht aber die
Fähigkeit, uns gegenseitig mit so vielen
unterschiedlichen Ausdrücken und Ideen
die Köpfe zu füllen. Es wurde herausgefunden,
dass der Mensch einen imposanten
Umfang an Wörtern kennt. Ein
erwachsener Mensch verfügt über einen
Wortschatz von ca. 60‘000 bis 100‘000
Wörtern. Wichtiger ist aber noch die Tatsache,
dass wir nicht nur Wörter äussern,
sondern sie zu Sätzen kombinieren. Je
nachdem wie wir die Wörter kombinieren,
bedeuten die Sätze etwas anderes.
Die Anzahl der Kombinationsmöglichkeiten,
welche uns dabei offensteht, ist
unbegreiflich gross. Ein Psychologe hat
einmal geschätzt, dass wir bei der Wortwahl
an jeder Stelle in einem Satz zehn
verschiedene Möglichkeiten haben, diesen
sinnvoll fortzusetzen. Wenn man also
davon ausgeht, dass ein Satz von einer
Länge von zwanzig Wörtern nicht ungewöhnlich
ist, dann ergeben sich dafür
über 100 Trillionen Möglichkeiten. Diese
Zahl entspricht etwa dem Hundertfachen
der Sekunden seit der Entstehung des
Universums. Das Sprechen ist kein
Anhang des Menschlichen, kein nebensächlicher
Teil in seinem biologischen
und sozialen Haushalt. Das Sprechen ist
für den Menschen eine Realität desselben
Ranges wie Nahrung und Luft - und es ist
als solches lebensnotwendig.
Kein 'Leben ohne Wort'
Sprechen bedeutet, seinen Gesprächspartner
aufzubauen oder zu vergiften.
Das Wort ist kein Nebenphänomen des
Lebens und der Intelligenz. Auf menschlicher
Ebene gibt es kein 'Leben ohne
Wort' und kein 'Wort ohne Leben'. Die
Macht des Wortes ist umfassender als
sein linguistischer Wert - sie ist trans-linguistisch.
Das Wort ist nicht nur signifikant,
sondern auch erbaulich und stärkend.
Es kann das Unkommunizierbare
kommunizieren, eine Tatsache, die von
der Forschung eher selten berücksichtigt
wird, aber von den Schriftstellern aller
Zeiten als eine Offenkundigkeit. Die
Macht des Wortes stützt sich auf zwei
entscheidende Annahmen: 1. Das Wort
ist nicht einfach ein Werkzeug des Menschen,
sondern es ist Teil seines Wesens,
und 2: Es hat ein weitaus umfassenderes
Aktionsfeld als das der einfachen Kommunikation.
'Wir können die Wörter
benützen', um zu beten, zu segnen, zu
heilen, zu töten, zu verstümmeln und zu
foltern. Der Mensch schafft - und zerstört
- durch Vermittlung der Sprache. Wir
sprechen demnach nicht nur, um unsere
Gedanken auszudrücken. Wir sprechen
oft, um unsere Gedanken zu verbergen.
Wir sprechen oft, um die Tatsache zu verbergen,
dass wir nicht denken. Wenn
Sprache und Sprechen eine solche Macht
haben, dann haben jene, die sie benützen,
eine enorme Verantwortung. Kurz vor seinem
Tod sagte Sokrates zu seinem Freund
Kriton: 'Das schlechte Verwenden der
Wörter ist nicht bloss ein Sprachfehler,
sondern eine Art und Weise den Seelen
Böses anzutun.' Der Anspruch auf eine
gute Verwendung der Sprache richtet
sich vor allem an die Menschen und Institutionen,
für die das Sprechen ein Beruf
ist: an die Presse in allen ihren Varianten,
die Schule auf all ihren Ebenen, an die
Schriftsteller und Politiker. Der Parlamentarier,
der eine Rede hält, übermittelt
nicht nur eine politische Botschaft, konterkariert
nicht nur die Meinung eines
Gegners - er bietet seiner Zuhörerschaft
eine 'manière d'être' an, ein gewisses Verhaltens-
Design, ein globales Gefühl der
öffentlichen Ordnung und Werte. Was
würdest du als erstes tun, wenn man dich
mit den Regierungsgeschäften beauftragen
würde?', wurde einmal Konfuzius
gefragt. Die Antwort lautete folgendermassen:
'Das Wesentliche ist, die Dinge
korrekt zu benennen. Wenn die Bezeichnungen
nicht korrekt sind, passen die
Wörter nicht mehr. Wenn die Wörter
nicht mehr passen, gehen die Staatsgeschäfte
schlecht. Wenn die Staatsgeschäfte
schlecht gehen, können auch
Rituale und Musik nicht gedeihen. Wenn
Rituale und Musik nicht gedeihen können,
sind Urteile und Strafen nicht länger
gerecht. Wenn Urteile nicht mehr gerecht
sind, weiss das Volk nicht mehr, wie es
sich verhalten soll.'...
Warum totalitäre Systeme der Sprache
schaden
Die Tugenden und die ausstrahlende
Macht der Sprache haben jedoch auch
eine Kehrseite der Medaille, und diese
resultiert aus rhetorischem Missbrauch,
ideologischer Missbildung, lexikaler
Armut, grammatikalischem Primitivismus,
schlechtem Geschmack und Falschheit.
Es gibt Phänomene der Vergewaltigung
der Sprache, der Amputierung ihrer
Energie oder der abweichenden, manipulierenden
Verwendung ihrer Ressourcen.
Mit anderen Worten, der Sprache bleiben
manchmal - öfter sogar, als uns lieb ist -
Episoden der Machtlosigkeit, der Ohnmacht
oder des Deliriums nicht erspart. ...
Wir sprechen über brain-washing, Manipulation
und psychischen Terror. Eine
Statistik belegt, dass die Sprache der
sowjetischen Presse, die zur Erziehung
des 'neuen Menschen' berufen war, nur
1‘500 von insgesamt 220‘000 im Wörterbuch
der russischen Sprache verzeichneten
Wörtern verwendete. ...Wir finden
äquivalente Missbildungen im Nazi-Diskurs,
im kommunistischen Diskurs und,
bis zu einem Punkt, in einer gewissen
Demagogie der Französischen Revolution.
Mit dem von den beiden grossen
Totalitärregimen des vergangenen Jahrhunderts
hervorgerufenen linguistischen
Desaster lässt sich sicherlich nichts vergleichen.
Es schadet aber nicht, besondere
Vorsicht walten zu lassen. Man sollte
deshalb die Worte weise wählen, dennoch
kann man die Macht des Wortes als
wirkungsvolles Werkzeug nutzen. Die
Sprache ist somit das wirkungsvollste
Werkzeug des Menschen: Durch die richtige
Wortwahl kann man andere Menschen
beeinflussen, von seinen Ideen
überzeugen, Angriffe abwehren. Wenn
wir die Macht unserer Worte tatsächlich
einschätzen könnten, würden wir sie
sicherlich mit viel mehr Verantwortung
benutzen. Und trotzdem sind wir nur für
das verantwortlich was wir sagen und
nicht für das, was der andere versteht.