Dossier

«Freimaurerei ist heute wichtiger denn je»

Maurice Zahnd wird neuer Grossmeister der SGLA. Wir sprachen mit ihm über seine Auffassung der Freimaurerei, über seine Ziele – und über eine Tempelarbeit im Berner Kursaal.

Thomas Müller

Thomas Müller: Lieber Br\Maurice, in wenigen Wochen wirst du neuer Grossmeister. Wie ist das für dich?

Maurice Zahnd: Ich freue mich und empfinde es als Ehrung. Ich habe grossen Respekt vor all dem, was meine Vorgänger geleistet haben. Auch bin ich mir bewusst, dass hohe Erwartungen an mich gestellt werden. Ich will mich engagieren, und das mit viel gutem Willen auch für die Logen. Ich habe hervorragende Brüder um mich im Direktorium, die viel Wissen beisteuern können.

Eine Frage, die sich der eine oder andere Bruder in den Kolonnen stellen wird: Wie wird man Grossmeister?

Man muss Stuhlmeister einer Loge gewesen sein und dieses Amt erfolgreich versehen haben. Es folgen dann die Funktionen des Alt- Stuhlmeisters und des deputierten Meisters und schliesslich eines Grossbeamten. Jedes Mal, wenn es um die Wahl des Grossmeisters geht, ist ein anderer Giron an der Reihe. Ich hatte insofern Glück, als mein Giron 4 gewählt wurde.

Darf ich dich nach deinem profanen Werdegang fragen?

Ich bin von Haus aus Elektroingenieur. Nach einer ersten Stelle in der Elektromedizin kam ich zur Gruppe für Rüstungsdienste, der heutigen armasuisse. Meine erste Anstellung, im April 1972, war im Stab der Direktion Abteilung Militärwerkstätten, der heutigen RUAG. In diesem Direktionsstab profitierte ich von verschiedenen Ausbildungen. Insbesondere wurde ich für eine Untersuchung für anderthalb Jahre zu McKinsey abkommandiert. Von 1982 bis 1985 durfte ich als Assistent des Verteidigungsattachés in Washington D.C. eine neue Herausforderung annehmen. Zurück in der Schweiz, führte ich die Technische Sektion, die sich u. a. mit unterschiedlichen Munitionstypen befasste. Ich hatte es dabei auch mit der traurigen Thematik der Minen und Entminungsfragen zu tun. Später, im Jahr 2001, wurde ich als Referent in den persönlichen Stab von Bundesrat Samuel Schmid berufen. Nach dreieinhalb Jahren wurde mir die Verantwortung der Hauptabteilung Transportfahrzeuge, Genie-, Rettungs- und ABC- Schutzmaterial anvertraut. Am Ende meiner Laufbahn war ich Stellvertreter des Direktors resp. Leiters des Kompetenzbereichs Landsysteme. Nach 38 interessanten und vielseitigen Dienstjahren ging ich im Februar 2010 in „Pension“.

Ich möchte übergehen zur SGLA. Worin liegen ihre Stärken?

Sicher geniesst die SGLA international grossen Respekt. Meine Vorgänger haben sich sehr um die osteuropäischen Logen bemüht. Zum zweiten gibt die SGLA einen roten Faden vor, der alle Logen verpflichtet. Wir haben die Aufgabe, das Befolgen von Verfassung und Reglementen zu gewährleisten. Doch zugleich geniessen die einzelnen Logen grosse Autonomie. Da sind wir bei einem dritten Punkt: Wir sind flexibel, was die Ausarbeitung und Änderung von Ritualen anbelangt. Und schliesslich hat die SGLA geschickt gehandelt, was die Problematik der Grande Loge Nationale Française anbelangt.

Und wo siehst du Schwächen?

ie Frage einer Beitragsanpassung an die heutige Finanzsituation SGLA wird ungern thematisiert. Punkto Finanzen sollten wir ehrlicherweise etwas offensiver handeln.

Wie verstehst du deine künftige Rolle? Wie sieht dein Führungsstil aus?

Ich werde mit Sicherheit einen kooperativen Führungsstil leben, im Team arbeiten, in engem Schulterschluss mit dem Grossbeamtenkollegium. Zudem will ich mich mit meinen Vorgängern austauschen. Was die Logen betrifft, will ich bei meinen Besuchen ihren Puls fühlen. Die Verbindung zur Basis bedeutet mir viel. Sie geniesst erste Priorität gegenüber den auch wichtigen internationalen Kontakten. Entsprechend werde ich auch die Brüder aus dem Direktorium einsetzen. Etwas noch zum Führungsstil: Ich bin durch-aus kritikfähig und bereit, aus gewissen Situationen zu lernen.

Da wird dir dein profaner Werdegang nützlich sein.

Ja, gewiss. Ich war immer darauf bedacht, meinen Leuten alle notwendigen Informationen zu geben, für sie Freiräume zu schaffen und ihnen mit Respekt zu begegnen. Ich bin nie hintergangen worden. Dies vielleicht auch deshalb, weil die Leute merkten: Der schätzt uns und unsere Arbeit.

Es wird aber auch Situationen geben, in denen du allein einen Entscheid treffen musst.

Ja, klar. Das nehme ich auf mich, versuche aber, als verantwortungsbewusster Patron zu handeln. Ich sitze Spannungen nicht einfach aus. Entscheide ich mich in acht von zehn Fällen zeitgerecht und in brauchbarer Weise, so finde ich das in Ordnung. Und aus den zwei anderen Fällen kann ich lernen und diese korrigieren. Das galt übrigens auch für meine zwölf Jahre in der Exekutive meiner Wohngemeinde.

Ein Thema, das immer wieder zu reden gibt, ist der Schritt der Freimaurer an die Öffentlichkeit.

Den Mythos des maurerischen Geheimnisses müssen wir ein Stück weit relativieren. Wir müssen in dieser Hinsicht moderner werden. Ein Ziel ist es, die Brüder zu ermuntern: Zeigt euch in der Öffentlichkeit! Wir dürfen stolz sein auf das, was wir für die Allgemeinheit leisten. Unsere Wohltätigkeit muss nicht im Verborgenen bleiben. So können wir, wie andere Organisationen auch, unsere Spenden öffentlich machen. Wir dürfen zeigen, dass wir hinter bestimmten Einrichtungen stehen. Das dürfte auch zu einer De-Eskalation von gewissen Spannungen beitragen. Ich denke da z. B. an bestimmte Kirchen oder andere Organisationen.

Du hast 2003 eine mehr oder minder «offene» Tempelarbeit im Berner Kursaal abgehalten. Kannst du dazu etwas sagen?

Im September 2003 gestaltete ich, im Rahmen des 200jährigen Jubiläums der Loge Zur Hoffnung, eine Tempelarbeit, in der nicht alle, aber viele Elemente unserer Rituale öffentlich gezeigt wurden. Eingeladen waren u. a. Amtsträger wie Stadt-, Burger- und Regierungsrat. Auch die Presse war willkommen. Wir zeigten und erklärten z. B. Werkzeuge: Zirkel, Winkel, Waage. Wir offenbarten übrigens mehr als in einer weissen Loge. Das Interessante am Ganzen war, dass von nirgendwo her Kritik laut wurde. Die Presse berichtete positiv. Man sieht: Es ist mehr möglich in der Öffentlichkeitsarbeit, als man meinen mag.

Aber da werden nicht alle Brüder deiner Meinung sein.

Mir ist bewusst, dass es in der Freimaurerei zwei Grundhaltungen gibt: die eher konservative und die eher liberale. Beide Lager sind für einen harmonischen Ausgleich wichtig. Und es ist darauf zu achten, dass gerade die erste Gruppe nicht verletzt wird.

Eine vielleicht ketzerische Frage: Hat die Freimaurerei auch heute noch eine Daseinsberechtigung?

Ja, heute mehr denn je. Sie ist eine Insel der Humanität in einer Welt, die immer noch mehr vom Materialismus geprägt ist. Die Freimaurerei steht für Integrität, für ethische und moralische Werte. Wenn man das Gelübde bei der Meistererhebung anschaut, darf man sagen: Das ist wirklicher Anstand und Menschenwürde. Wichtig ist aber, dass freimaurerische Werte im profanen Leben umgesetzt werden.

Was sind deine Ziele?

Das Ausrichten aller Aktivitäten auf den Tempelbau der Humanität. Die sorgfältige Fortsetzung des «fil rouge». Die Autonomie der einzelnen Logen respektieren. Als Teamplayer mit dem Direktorium und dem Grossbeamtenkollegium der SGLA zusammenarbeiten und dabei die Geschäfte aktiv und in gerechter Weise angehen. Die SGLA gegen aussen im Sinne der internationalen Gegebenheiten vertreten. Das Haus der Freimaurer und das dazugehörige Museum fördern und zu deren Vollendung beitragen. Öffentlichkeitsarbeit leisten, aber in bedachter Weise und ohne die eher konservativ ausgerichteten Brüder zu überfahren.