Zukunftsperspektiven der Freimaurerei
(Alpina 5/2007)
Zukunftsperspektiven der Freimaurerei – so lautet das Thema der
Mai-Nummer unserer Freimaurer-Rundschau. Kein einfaches Thema. Hans Hermann
Höhmann versucht, eine Antwort zu geben. Er kommt zum Schluss, dass sich die
Freimaurerei in der heutigen Gesellschaft neu positionieren müsste. Er
stellt auch die provokative Frage, ob die Freimaurerei als Sozial- und
Kulturform der bürgerlichen Gesellschaft noch eine Chance habe, wenn die
bürgerliche Gesellschaft selbst offenkundig an ihrem Ende angekommen ist.
Höhmann liefert auch eine Definition der Freimaurerei, der wir voll und ganz
zustimmen können: «Freimaurerei versteht sich als eine Lebenskunst, die
menschliches Miteinander und ethische Lebensorientierung durch Symbole und
rituelle Handlungen in der Gemeinschaft der Loge darstellbar, erlebbar und
erlernbar macht!»Ganz anders geht Dietrich H. Jaschke an das Thema heran mit der Arbeit «Quo
vadis Freimaurerei?» Er sieht die Lösung darin, dass die Freimaurer aus
ihrem bisherigen Elfenbeinturm heraustreten und auf die Gesellschaft zugehen
müssen. Heraustreten ist kein Überbordwerfen von Traditionen und Werten. Es
ist die Arbeit an den Inhalten, ein «Berührbarmachen». Die Skala der
Möglichkeiten beginnt immer mit einem freien Mann, für den Geistesfreiheit
unverhandelbar ist und der zu ihr steht. Lessing hat gesagt: «Freimaurerei
war immer». Kurt Scheibler, von der Loge Akazia Winterthur, hat ebenfalls an
dieses Wort gedacht, als er seine Arbeit über den Stoizismus schrieb. «Wir
müssen an uns arbeiten, wir sind alle fehlbar» sagt Seneca. «Was man bei
andern tadelt, findet ein jeder in der eigenen Brust». Und in den Briefen an
Lucilius hält er fest: «Ich bin ein Mensch, nichts Menschliches ist mir
fremd». Und er fügt dazu: «Halten wir fest zusammen; für die Gemeinschaft
sind wir geboren. Die menschliche Gesellschaft gleicht einem Gewölbe, das
zusammenstürzen würde, wenn sich nicht die einzelnen Steine gegenseitig
stützen – gerade die Tendenz zum Einsturz hält den Bogen».
Diese Arbeit hält fest, dass wir unsere Wurzeln nicht vergessen dürfen,
wenn wir die Zukunft gestalten wollen. Persönlich vertrete ich die Ansicht,
dass die Freimaurerei eine Zukunft hat. Wir müssen sie aber ergreifen und
begreifen und der Welt zeigen, dass wir ein anderes Weltbild haben als das
gängige Klischee. So wird die Freimaurerei auch die zum Untergang geweihte
bürgerliche Gesellschaft (Hans-Hermann Höhmann) überleben, so wie sie auch
andere Strömungen überlebt hat
Alfred Messerli |