Erziehung zum Menschen
(Alpina 2/2008)

Erziehung zum Menschen heisst das Thema dieser Nummer. «Ich für meine Person kenne nur zwei Arten von Einwirkung auf den Menschen. Die erste und bei weitem wichtigste ist durch Belehrung. Nun macht aber Wissen noch nicht Tun; dazu muss jeder sich selbst durch sich selbst entschliessen. Um ihn auch dazu zu bringen, bleibt uns nichts übrig, als (das zweite Mittel) das gute Beispiel, wodurch man ihm teils die Ausführbarkeit der Vorschrift, teils die Liebenswürdigkeit der Ausführung zeige». Das hat Johann Gottlieb Fichte in seinem achten Brief an Constant geschrieben. Daraus folgert: So also, wie bei jeder Bildungsarbeit der Unterricht das Wesentliche ist, so ist es auch in der Maurerei.

Aber was ist das Ziel der freimaurerischen Bildung? Freimaurerische Weisheit soll uns zu wahren Menschen machen Wir können nicht weise sein ohne Kraft. Denn weise sein erfordert Opfer, die ohne Kraft nicht erbracht werden können. Und weise sein ist ohne Gefühl für das Schöne eine traurige Angelegenheit. Wir müssten einen Menschen, der an die Säule der Weisheit gefesselt ist, bedauern. «Die Weisheit lehrt uns, dass wir nichts können. Die Schönheit aber öffnet unserem Empfinden die ganze Welt. Die Weisheit ist erst weise, wenn sie sich mit der Schönheit verbindet.» Diese Sätze habe ich bei Franz Carl Endres gefunden.

Es ist nicht Aufgabe der Freimaurerei, die Brüder zu guten Kaufleuten, zu guten Handwerkern, zu einem guten Arzt, zu einem Künstler oder Handwerker zu machen. Das machen andere Institutionen viel besser. Unser Bildungsweg soll den Brüdern den Weg zum wahren Menschen zeigen. Die Loge soll die Schule für Persönlichkeitsentwicklung sein. Die Freimaurerei soll immer das Ganze des Menschen im Auge haben. Ihr Geheimnis ist nicht die Askese und Dionysos. Sie trägt nicht büssend den Knotenstrick des Mönchs und schwingt nicht trunken den Thyrsosstab.

Ziel der freimaurerischen Bildung ist es, den Menschen mit dem Rhythmus, der seinem Wesen entspricht, vor das Leben zu stellen und ihn so auf den Ausgleich seines Ichs mit der Umwelt zu weisen mit dem Hinweis, dass er nur so zur Harmonie gelangen könne. Das Ziel freimaurerischer Weisheit ist der harmonische Mensch.

Alfred Messerli

 

<< Heft 1/2008 Index Heft 3/2008 >>
Alpina