Der Freimaurer und sein politisches Engagement
(Alpina 10/2009)

Politisches Handeln heisst, sich für das Gemeinwohl einzusetzen. Im Ursprung des Wortes steht der griechische Begriff polis und meint das Ausrichten an den Bedürfnissen der (Stadt)bevölkerung. Machiavelli schrieb um 1515 über Politik: «Politik ist die Summe der Mittel, die nötig sind, um zur Macht zu kommen und sich an der Macht zu halten und um von der Macht den nützlichsten Gebrauch zu machen». Dies impliziert einen egoistischen, utilitaristischen Hintergrund, der jedoch stark im Kontrast steht mit der ursprünglichen antiken Auffassung eines Dienstes im Sinne der Allgemeinheit. Hanna Arendt schreibt in ihrem Werk «Über die Revolution» (1994, S. 326f.): «dass keiner glücklich genannt werden kann, der nicht an öffentlichen Angelegenheiten teilnimmt, daß niemand frei ist, der nicht aus Erfahrung weiß, was öffentliche Freiheit ist, und daß niemand frei oder glücklich ist, der keine Macht hat, nämlich keinen Anteil an öffentlicher Macht». Bernard Mandevilles dagegen schrieb 1705 in seiner «Bienenfabel», dass nicht die Tugend, sondern das Laster die eigentliche Quelle des Gemeinwohls sei. Die zugrundeliegende Erkenntnis, dass individueller Nutzen nicht mit globalem Nutzen identisch sein muss, bildet ein wichtiges Theorem der Ökonomie, das nach ihm auch Mandeville-Paradox benannt wird. Ein Auszug der Bienenfabel ist auf der nächsten Seite wiedergegeben.

Wenn ich an Politik im Sinne staatlicher Lenkung denke, kommt mir ein Computer- Chip in den Sinn. Auch diese zentrale Einheit lenkt die Operationen eines komplexen Systems, das verschiedene Aufträge ausführt, delegiert, koordiniert und mit Schnittstellen kommuniziert. Ein hochleistungsfähiger, technischer Mikrokosmos, den man notabene “Motherboard” nennt. Ist Politik am Ende also gar matriarchalischer Natur? In der Freimaurerei ist ein politisches Engagement nicht ausgeschlossen; auf das Verhältnis zur Politik beziehen sich in den Alten Pflichten nur zwei Artikel (Artikel II und VI, Abschnitt 2). Sie schreiben uns Enthaltsamkeit von der Parteipolitik und parteiischen Diskussionen vor und empfehlen Loyalität gegenüber der staatlichen Gewalt. Dass privat nicht an politischen Diskursen teilgenommen oder gar ein politisches Amt bekleidet werden kann, ist dagegen nicht ausgeschlossen. Ferner kann Politik im Sinne von Handeln im Dienste der Gesellschaft – also der polis — auch Handeln eines jeden im Dienste der Allgemeinheit sein – sei es karitativer oder sozialer oder kultureller Natur. Alles ist Geben – und das ist bekanntlich seliger denn nehmen.

Adrian Bayard 

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