Wie magisch ist das magische Quadrat?
(Alpina 6-7/2010)
Neulich an einer Imbissbude stand ich und
wartete auf das, was noch kommen
würde. Ich stand da und sinnierte, und war
doch nicht präsent. Ich sinnierte und hing
meinen Gedanken nach, die mir unglaublich
wichtig schienen - damals, als ich auf meine
Wurst wartete. Plötzlich wurde ich jäh in die
Welt der profanen und erdigen Themen
zurück gerissen. Es sei halt eben schon gut,
dass der Hakan nun doch ins Aufgebot
genommen wurde, schliesslich sei er der Kopf
der Mannschaft, meinte ein Gast. «Ja, ja, das
schon», meinte der andere und fügte an, dass
er eben schon zu alt sei für diesen Job - der
Hakan. «Da hast auch wieder recht», meinte
der andere, und sie gossen sich über diese
Patt-Situation einen Schluck Bier in die Kehle.
Ich nahm die Wurst (ohne Senf!) und setzte
mich. «…und nicht lauffreudig», redete es
plötzlich in mir weiter als wollten sich meine
Gedanken instinktiv in die mittlerweile
erschöpfte Diskussion einbringen. Ich
bemühte mich, den gedanklichen Faden von
vor der Unterbrechung aufzunehmen,
schliesslich musste ich ein paar erspriessliche
Worte fürs Editorial finden! «Weisst Du, wie
es der Jasmin geht? Ihre Mutter ist angeblich
davongelaufen, ihr Vater im Knast und sie in
die Drogen abgestürzt»? «Ja, ja, das ist
schlimm, aber wen wundert’s? Bei diesen
Familienverhältnissen – und dann kein Job!»
Sie genemigten sich wieder einen Schluck,
dachten dabei wieder an den Fussball und
ich konnte vollends nicht mehr ans Editorial
denken. Über was soll ich schreiben? Über das
magische Quadrat? Haben wir keine anderen
Themen als so abgehobene? Zielen wir derart
am Leben vorbei? Ich schämte mich ein bisschen.
Danach wurde mir plötzlich klar, dass
ich einen unbeschreiblichen Schatz besitze,
einen Luxus, auch einmal an etwas anderes
denken zu dürfen als nur an die belastenden
Zwänge und Tatsachen des Alltags. Ich kann
mich völlig frei und ungebunden weitläufigeren
Themen widmen und mir Dinge
erschliessen, deren Wert sich unter Umständen
sich erst viel später offenbaren – oder gar
nie sichtbar werden. Dafür fliessen sie vielleicht
umso mehr in mein Tun ein. Und das
wäre schon eine ganze Menge! Ich denke, das
ist es, was wir unter «Arbeit am rauhen Stein»
verstehen. Egal, ob wir Intellektuelle, Handwerker
oder Würstchenbuden-Wartende
sind.
Adrian Bayard
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