Und wenn es die Freimaurerei nicht gäbe?
(Alpina 8-9/2013)

Neulich war ich am Zürifest. Nebst dem riesigen Menschenauflauf, der mir grundsätzlich suspekt ist –insbesondere wenn ebendiese Meute zusammenkommen will, um angeblich zu feiern. Ist feiern eine Massenveranstaltung? Mehr noch: schliesst Feiern eine grosse Menschenmenge nicht sogar per se aus? Feste sind meiner Meinung nach intime Veranstaltungen, wo sich Freunde - ja Brüder – treffen und versammeln, um etwas Übergeordnetem zu huldigen; besser: zu danken. Wenn ich nun sehe, was gemeinhin als festen praktiziert wird, graut mir. Es gestaltet sich in der Form einer Grossveranstaltung als legitimiertes Besäufnis, als hemmungsloses sich dahin- geben und gehen-lassens. Die Leute verlieren jegliche Form von Anstand und Selbstachtung. Auch wenn ich den riesigen Abfallberg ansehe, der am Zürifest anfällt (wie wohl an allen anderen Grossereignissen) und Menschen mittendrin sitzen und auf etwas warten, dann fallen mir Bilder aus dem «tiefsten » Afrika ein, wo Berge von Unrat sich türmen - Altlasten aus der sogenannten Zivilisation. Und ich überlege mir, weshalb dieses «Afrika» hier in Zürich nicht ein unterentwickeltes Land ist, sondern eines der modernsten - ein sogenannt hochentwickeltes Land. Antwort: weil wir es uns leisten können, jemanden anzustellen, der diesen Dreck bis am nächsten Morgen wegräumt und alles ungeschehen erscheinen lässt. Ich komme zum Schluss, dass auch in diesem Punkt alle Menschen gleich sind: es gibt keine Grüsel und Saubermänner. Auch die saubere Schweiz hat wie gesehen seinen Unrat. Hat unser Wirken als Freimaurer (worunter wir uns ja auch die Bildung, namentlich die Bildung eines nachhaltigen Bewusstseins auf die Flagge schreiben) überhaupt einen spürbaren Effekt? Oder sind wir ein marginalisierter Club von Schöngeistern? Klar, wir überschätzen uns kläglich! Gäbe es uns nicht, wäre die Welt keine schlechtere. Hingegen ist das, was wir machen – dieses Arbeiten am eigenen rauhen Stein –etwas, das zwar bloss den einzelnen Bruder weiterbringt, doch was wir nicht vergessen dürfen, ist die Wirkung, die wir in unserer kleinen Gruppe haben: wir holen Mut, unermüdlich weiterzumachen - und so erwachsen plötzlich grossartige Einzelleistungen, welche die Welt prägen können, wie dies einzelne unserer Brüder schon vorgezeigt haben. Und das dürfen wir feiern - im kleinen Kreis.

Adrian Bayard 

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