Thema
Quantität – Qualität oder Wachstum – Mehrwert?
Eines der drei elementaren Entwicklungsgesetze
des dialektischen Materialismus
ist das Gesetz vom Umschlagen
von einer Quantität in eine neue
Qualität. Nach einer Kumulation quantitativer
Veränderungen über längere
Zeit kommt es zu einer sprunghaften
qualitativen Veränderung. Das könnte
sich die Freimaurerei zunutze machen.
Loge «Wahrheit in Liebe», Islikon
(Schweizer Freimaurer-Rundschau: Juni/Juli 2009)
Jede Krise birgt Chancen in sich, auch
die Finanzkrise. Man kann nicht gegen
die Naturgesetze antreten sowenig wie
gegen die ökonomischen Gesetze,
obwohl diese nicht unüberwindlich sind.
Wachstum löst viele ökonomische Probleme.
Doch ohne Wettbewerb im Markt
geht es wohl kaum. Ein Hinweis im Darwinjahr
auf die Fittesten erübrigt sich.
Nullwachstum als Mass?
Alles ist auch immer eine Frage des Masses.
Ein Wachstum im Ausmass
von null kann sogar positiv sein,
z.B. beim Bevölkerungswachstum.
Sogar ein Rückgang wäre für Tiere
und Pflanzen und damit für unsere
Erde und somit auch für uns nicht
negativ zu bewerten. Erstmals in
5000 Jahren kann China seine
Bevölkerung ernähren. Mit dieser
Erfolgsstory wäre ein Szenario,
dass die Chinesen in das sich entvölkernde
Afrika kommen. Wirtschaftswachstum
ist nicht a priori
gut oder schlecht. Auch in der
Natur braucht es Wachstum, z.B.
durch Pflege bei Bäumen und
Reben. Das führt zu qualitativem
Wachstum und damit auch zu
Mehrwert. Dieser ist nämlich
nicht nur nach Marx der vom
Übermenschen nicht erzeugte
sondern dem Untermenschen mit Gewalt
abgenommene Wert. Er erscheine als
Preiszuschlag, Lohnabzug, Grundrente,
Opfer, Steuer, Zehnt, Zins und Zoll. Die
Einbeziehung der Transportkosten hatte
Marx vergessen. Der Zielkonflikt zwischen
Inflation und Vollbeschäftigung
veranlasste schon Roosevelt zum Rückfall
in die Planwirtschaft, die nahtlos in die
Kriegswirtschaft überging.
Freimaurerei und Wachstum
Wirtschaftspolitik ist oft kurzfristig ausgerichtet.
Auch Appelle an Solidarität
und der Hinweis, die ganze Wirtschaft sei
Psychologie, helfen nicht weiter. Das ist
so schlimm, wie wenn man einem Krebskranken
sagt, der Krebs wächst halt. Also
wie ist das nun in Bezug auf unsere
Kolonnen? Nicht nur in der Freimaurerei
beklagt man das hohe Durchschnittsalter
der Mitglieder und die Schwierigkeiten
bei der Rekrutierung von Nachwuchs. Die
Zahl der Logen hat zugenommen, die
Zahl der Mitglieder nicht. Es liegt in der
Natur der Sache, dass man die Ursache
beim Zeitgeist und dem Desinteresse von
Kandidaten sucht. Aber vielleicht ist es ja
ganz anders. Möglicherweise liegt es an
uns selber. Wissen wir, ob die Mehrheit
überhaupt wachsen will oder lieber alles
so lässt, wie es ist? Einfach mehr Mitglieder,
wie das vor Jahren in den USA mit
stark erleichterten Aufnahmebedingungen
und einem Durchmarsch zum Meister
innert weniger Monate versucht
wurde und kläglich scheiterte, kommt
kaum in Frage. Rein an Statistik orientiert
hätte man wohl, wenn es gelungen
wäre, was aber nicht der Fall war, mit
Zahlen glänzen können. Doch um welchen
Preis? Also doch qualitatives
Wachstum. Wir wollen nicht vom Ritual
soviel aufgeben, dass man nicht einmal
die Aufnahme ohne Unterstützung der
Grossloge durchführen kann.
Ansprüche an die Weiterentwicklung
Wir sind kein oberflächlicher Verein, der
vielen etwas bieten will. Wir sind selber
Suchende und wollen nur ernsthaft
Suchende aufnehmen. Wir
möchten, dass die neuen Mitglieder
all das erfahren, was uns
die Tempelarbeiten und Konferenzen
so unvergleichlich wertvoll
macht. Wir möchten, dass sie
all das erleben, was uns bewegt
und auf dem schweren Weg zu
besseren Menschen vorwärts
bringt. Wir stellen Ansprüche an
unsere Weiterentwicklung. Also
sollten wir auch solche an neue
Mitglieder stellen und nicht mit
Geheimniskrämerei locken.
Obwohl wir eine diskrete Gesellschaft
sind, wissen wir, dass sich
heute jeder, der sich für Freimaurerei
interessiert, fast alle Informationen
beschaffen kann. Ein
neues Mitglied ist für eine kleine Loge, in der man sich zu kennen glaubt,
eine schwere und ernste Aufgabe. Wir
merken rasch, ob jemand inneres Wachstum
sucht oder ob er von falschen Voraussetzungen
möglichst schon vor der
Aufnahme befreit werden kann. Wenn
nicht, ist es sicher redlicher, ihm nahezulegen,
sich die Bewerbung zu überlegen.
Eigene Position finden
Wir sollten dem Neuen durch unser Beispiel
und Vorbild zeigen, was wichtig ist.
Nicht nur die Bruderliebe, sondern auch
Wahrheit und Bescheidenheit. Tugenden
sind nicht veraltet und Bemühen um
Qualität schon gar nicht. Auch in Beruf und Familie sind unsere hohen Ziele
anzustreben. Unser Verhalten muss dem
Neuen zeigen, dass es echt ist, getrieben
von dem Willen, ihm zu helfen, ihn zu
lieben, so wie er ist. «Liebe ihn wie dich
selbst» wäre ein weiteres Thema. Legen
wir das Schwergewicht unseres Denkens
darauf, unsere Position in dieser suchenden
Gesellschaft zu finden und auch
darauf, möglichst viele denkende Menschen
dazuzugewinnen mit dem zweckmässigen
Einsatz der naturgegebenen
Fähigkeit zur Vernunft. Bemühen wir
uns, dass es auch bei uns zu der am
Anfang angeführten qualitativen Veränderung
kommt - zum dialektischen
Sprung.