Thema
ZEN und Freimaurerei
Zen und die Freimaurerei weisen erstaunliche
Parallelen auf. Dies kommt vor allem beim Vergleich der
Tee-Zeremonie mit unseren Ritualen zum Vorschein.
Peter Oppliger– Fiat Lux, Luzern (Schweizer
Freimaurer-Rundschau: Februar 2010)
Die Idee zu diesen Gedanken entstanden
mit meiner Tätigkeit auf dem
Monte Verità – ein Hügel über Ascona. Es
ist einmystischer Kraft-Ort mit einer über
einhundert jährigen Geschichte, welche
auch mit der Freimaurerei eng verbunden
ist. Wenn wir die Kelten mit einbeziehen,
so ist die Geschichte des Monte Verità.
einige tausend Jahre alt.
Eine Gruppe von Wahrheit suchenden
Philosophen, Künstlern, Politikern - alles
gesundheitsbewusste, suchende Menschen
– pflegten auf dem ursprünglich
"Moscina" genannten Hügel Freikörperkultur,
Selbstversorgung, Vegetarismus,
rituelle Tänze und Meditation. Sie alle
suchten das gesunde Leben für Körper,
Seeleund Geist und auf eigenwillige, aber
durchaus friedliche Art nach der Wahrheit
und dem Sinn des Lebens. Darum
tauften Sie den Hügel "Monte Verità" -
Berg der Wahrheit.
Zur Gründergruppe und den ständig
besuchenden Menschen, gehörten der
belgische Oedenkoven, die Pianistin
Hoffmann, Luban, Gräser, C.G. Jung, Hermann
Hesse, Trotzki u.v.m. Darunter
waren auch Freimaurer legaler und illegaler,
wie auch gemischter Logen. Einige
dieser sogenannten Brüder gründeten im
Jahre 1917 die heute in Zürich auf dem
Lindenhof domizilierte reguläre Loge
Libertas et Fraternitas. Auch die Loge
Veritas i.O. von Locarno hat ihren Namen
vom Berg der Wahrheit.
Aus politischen Gründen wanderte der
harte Kern der Gründer in den Anfängen
der Hitler-Zeit nach Brasilien aus. Der
70'000 m2 umfassende Hügel mit einigen
grösseren und kleineren aus Holz konstruierten
Gebäuden wurde an den deutschen
Baron und Bankier "von der Heydt"
verkauft, welcher um 1930 u.a. das wohl
einzige Hotel im reinen Bauhausstil
erstellen liess. Sowohl die Gründer wie
auch der Baron pflegten intensive Kontakte
zu fernöstlichen Ländern, hauptsächlich
zur Japanischen Kultur, zum
Buddhismus und zur Zen-Philosophie.
Mit der enormen Kunstsammlung des
Barons wurde später das berühmte Rietbergmuseum
in Zürich gegründet. Im
Jahre 1943 verschenkte der inzwischen
eingebürgerte Baron "von der Heydt" den
gesamten Grundbesitz an den Kanton
Tessin. Einige Jahre nach Kriegsende entstand
daraus eine kantonale Stiftung als
modernes Begegnungs- und Kongresszentrum
– heute von der ETH Zürich und
Lausanne zu etwa 50% ausgelastet.
Teekultur
Der Tee und die Teekultur ist in Japan
Bestandteil des Zen, der Zivilisation sowie
des Lebens in den japanischen Klöstern.
Eine grosse Bedeutung haben in Japan
auch die Teehäuser und die Teezeremonie.
Auf dem Monte Verità waren die
idealen Voraussetzungen gegeben, um
als Ergänzung zu seiner Geschichte und
mit dem einmaligen Mikroklima eine
"Cultura deI Tè" entstehen zu lassen.
Die Zen-Philosophie, die einzige Teeplantage
in Europa, das japanische Teehaus,
der Zen-Garten und die Teezeremonie
prägen als Einheit die Aktivitäten dieses
im Juni 2006 eröffneten Projektes. Schon
hier sind Parallelen zu den acht Grundsätzen
sowie zu den altenPflichtenunseres
Bundes ersichtlich. Diese sind: Harmonie
- Respekt - Reinheit in Gedanken
sowie Ruhe und Gelassenheit.
Das japanische Teehaus
habe ich so konzipiert,
dass dieses - keinProfaner
merkt dies - als Freimaurertempel
genutzt
werden kann.
Was ist Zen?
Das Wort Zen stammt
aus dem Sanskrit und
bedeutet "Versenkung".
Die Zen-Philosophie
entstand im Jahre 526,
aus dem Mahayana-
Buddhismus, d.h. etwa
1300 Jahre nach der
Geburt von Gautama Buddha. Ein indischer
Mönch, Bodhi-Dharma, befasste
sich intensiv mit allen Richtungen des
Buddhismus, die sich während der vergangenen
1300 Jahren entwickelt hatten.
Er wollte diese vereinfachen, d.h. von
allem Ballast der Gottheiten und Regeln
befreien. So entstand die Idee des Zen.
Diese Philosophie verbreitete sich zuerst
in China. Ab dem 13. Jahrhundert etablierte sich Zen in Japan und prägte
massgebend die Japanische Kultur. Zen
ist die Philosophie des Buddhismus,
reduziert auf das Wesentliche. Zen kennt
keine Lehrbücher und keineDogmen, Zen
ist ein Meditationsweg - keine Religion
und gerade deshalb so schwer zu verstehen.
Die beiden japanischen Richtungen,
"Rinsai-Zen" und "Soto-Zen", unterscheiden
sich kaum. Rinsai-Zen legt den
grösseren Wert auf die Meditation, die
andere Richtung mehr auf die Schulung
des eigenen Denkens - was auch Meditation
ist. Suzuki erklärt Zen wie folgt:
"Im Kern ist Zen die Kunst, in die Natur
seines Seins zu blicken und weist den
Weg von der Unfreiheit in die Freiheit".
Freimaurer sollten diese Erklärung
bestens verstehen.
Aus der Zen-Philosophie sind vor etwa
450 Jahren in Japandie heutenochaktuellen
Künste wie Karate, Aikido, Ikebana
und natürlich auch die Teezeremonie
entstanden, welche sich bis heute nicht
verändert hat. Eigenartigerweise haben
sich alle diese Künste selbständig - ohne
Missionierung - über die ganze Welt verbreitet.
Im Vergleich liegen dieWurzeln der Freimaurerei
und des Zen in den gleichen
Jahren - haben sich jedoch etwa 20'000
km voneinander entfernt entwickelt, - zu
einer ZeitdaJapaneinpraktisch isoliertes
Land war.
Zen und die Freimaurerei - vierzehn
Vergleiche
Manbraucht nicht die Ursprünge unseres
Bundes in Japan oder im Zen zu suchen.
Die folgenden Vergleiche mit der Zen-
Philosophie und der Tee-Zeremonie im
besonderen, können jedoch Denkanstösse
für universelle Gesetzmässigkeiten
oder Zufall geben:
1. Die Zeit - speziell der Begriff Zeit ist
ein wichtiger Faktor im Zen. Wir wissen,
dass wir während unseres Lebens auf
Erden an Raum und Zeit gefesselt sind.
Das Kreuz als urbuddhistisches Symbol
mit den zwei Balken "Raum und Zeit"
wurde später im Christentum übernommen.
Wir wissen, dass die Zeit niemals
zurückkehrt. Zen lehrt, dass es nur eine
Zeit gibt, um aufzuwachen: "Diese Zeit
ist jetzt". Zur Tee-Zeremonie gehen wir
demonstrativ ohne das Tragen einer Uhr.
Zen lehrt uns, sich immer nur auf eine
Tätigkeit zu konzentrieren. Ähnliches finden
wir in einigen Ritualen.
In unseren Ritualen fordern wir die Brüder,
insbesondere die Lehrlinge auf, die
Zeit richtig zu nutzen, mit den Worten
"verpasste Stunden kehren niemals
zurück"!
Nachdem ein Zen-Schüler
während drei Jahren ohne
Unterbruch bei seinem Meister
im Kloster gelebt hatte,
verging ihm die Geduld und
verlangte eine Aussprache
beimMeister. „Mein verehrter
Meister, ich lebe nun
schon drei Jahre hier, meditiere
mit Ihnen, arbeite im
Garten mit Ihnen, koche und
esse mit Ihnen und verrichte
überhaupt alle Arbeiten wie
ich es bei Ihnen sehe, und
doch habe ich noch keine
Fortschritte oder irgendwelche
geistige Erkenntnisse
erlangt, was mache ich
falsch?“ Der Meister antwortete: „Da ist noch ein kleiner
Unterschied. Wenn ich
koche, dann koche ich,wenn
ich esse, dannesse ich,wenn
ich im Garten arbeite, bin
ich in Gedanken nur bei den
Pflanzen, wenn ich meditiere, dann
meditiere ich. Versuche es auf diese
Weise!“
2. Zen fordert von den Mönchen sowie
von suchenden Profanen harte Arbeit an
sich selbst - analog zur lebenslangen
Arbeit am rohen Stein.
3. Zen fordert die Menschen auf, selber
frei zu denken - jedoch auch andersdenkende
zu respektieren. Solche Aufforderungen
sind auch Teile unserer Rituale
und der maurerischen Grundsätze.
4. Zen lehrt, dass der Mensch niemals
ausgelernt hat - auch dann nicht, wenn
er Meister ist.
Wir wissen aus unseren Aufnahme- und
Erhebungsritualen, dass wir alle immer
Lehrlinge bleiben.
5. Zen-Mönche und Zen-Buddhisten
missionieren nicht. – Dies gilt auch für
Freimaurer.
6. Das Tor oder Portal in einen Teegarten,
einen Zen-Tempel oder in ein Teehaus
fordert alle Eintretenden auf, alle Sorgen
und alles Profane zurück zu lassen, um
uns auf das Neue und die Arbeit konzentrieren
zu können.
Das gleiche gilt für die Pforte unseres
Freimaurer-Tempels.
7. Im Warteraum oder Wartepavillon
vor dem Teehaus versammeln sich
die Gäste für die Tee-Zeremonie, bis
sie vom Teemeister oder der Teemeisterin
aufgefordert werden, den Teeraum
zu betreten.
Der Vorhof eines
Freimaurer-Tempels erfüllt denselben
Zweck.
8. Am Eingang in einen Zen-Tempel oder
in ein Teehaus mahnt uns ein bearbeiteter,
mit Wasser gefüllter Stein, das Haus
mit reinen Händen, reinem Herzen und
reinen Gedanken zu betreten. Ein Teehaus
betritt man ohne Schuhe, jedoch zu
einer Teezeremonie mit weissen Socken.
Die Freimaurer tragen beimBetreten des
Tempels weisse Handschuhe, ebenfalls
als Symbol der Reinheit.
9. Die "Tokonoma" genannte, philosophische
Nische in einem Teeraum enthält
eine Kalligraphie, welche eine Zen-Weisheit
darstellt.
Hier können wir eine Parallele zumWeisheitsbuch
auf dem Altar sehen, welches
uns an den Allmächtigen Baumeister
aller Weltenmahnt.
10. Eine Tee-Zeremonie ist die höchste
Kunst der Zubereitung eines speziellen
Tees nach strengen Regeln z.B. der Urasenke-
Schule. Dieses Ritual dauert 1.5
Stunden und hat sich innerhalb der letzten
450 Jahre nicht geändert.
Vergleichbar ist die Teezeremonie darum
mit der königlichen Kunst und den Ritualender
Freimaurer, deren Grundsätze und
"Alten Pflichten" auch nicht geändert
wurden. Die verschiedenen Teeschulen -
im Kern alle gleich - sindvergleichbar mit
den verschiedenen Ritualen, z.B. Schröder
oder Emulationsritual.
11. Zelebriert wirddie Tee-Zeremonievon
Mönchen, Teemeistern und seit etwa 100
Jahren auch von Teemeisterinnen. Am
Beispiel der wichtigsten Teeschule, der
Urasenke-Schule, dauert die Ausbildung
zum Teemeister oder zur Teemeisterin
viele Jahre. Der jeweilige Grossmeister -
heute die 15. Generation nach dem
Gründer Rikyu - sorgt für die Einhaltung
der Rituale und die Ausbildung in den
Tee-Schulen.
Ähnliche Funktionen hat unsere Gross-
Loge mit dem Grossmeister.
12. DieBereitstellung allerUtensilien, von
der Kohlebis zu den Teeschalen-alles hat
seinen vorgesehenen Platz -, dies entspricht
dem Bereitstellen unserer symbolischen
Werkzeuge für eine Tempelarbeit.
13. Eine Teezeremonie ist keinesfalls eine
Vorführung. Alle sogenannten Gäste
gehören als Teilnehmer zum Ritual und
erhalten denselben, rituell zubereiteten
Tee.
Auch in einer Tempelarbeit gehören alle
Brüder als Einheit zur Arbeit, bzw. zum
Ritual.
14. Die drei kleinen Lichter "Weisheit -
Stärke - Schönheit" finden wir auch im
Zen. Weisheit und Stärke wird als Ziel
genannt. Schönheit fordert den Menschen
auf, die innere Schönheit und
Reinheit zu pflegen, was sich auch äusserlich
in einem bewusst einfach gestalteten
Tee-Raum ausdrückt, wo alle Menschen
gleich sind.
Auch ein Freimaurer-Tempel soll schlicht
gestaltet sein.
Und dann noch etwas
In der Kammer des stillen Nachdenkens
wirdder künftigeBruder mit denWorten:
"seien Sie deshalb achtsam" auf das
Ritual und die Arbeit in der Loge vorbereitet.
In vielen Logen entlässt der M.v.St.
die Brüder nach einer Tempelarbeit mit
den Worten: "Meine Brüder, seid achtsam
auf euch selbst!“
Ein Mann aus dem Volk fragte den Zen-
Meister Ikkyu: "Meisterwollt Ihr mir bitte
die Grundregeln des Zen aufschreiben?"
Ikkyu schrieb mit dem Pinsel das Wort
"Achtsamkeit".
"Ist das alles?" fragte der Mann. "Könnt
Ihr nicht noch etwas hinzufügen?" Darauf
schrieb Ikkyu zweimal das Wort
"Achtsamkeit".
Der Mann sagte: "Ich sehe wirklich nicht
viel Tiefes oder Sinnvolles, in dem was Ihr
gerade geschrieben habt." Darauf schrieb
Ikkyu dreimal hinter einander das Wort
"Achtsamkeit". Verärgert begehrte der
Mann zu wissen: "Was bedeutet denn
dieses Wort überhaupt?" Ikkyu antwortete:
"Achtsamkeit bedeutet Achtsamkeit"!