Thema
Unterschied zwischen Profanem und Heiligem
Nachdem ich in letzter Zeit viele Vorträge gehört hatte, die immer wieder durch Zitate unterlegt waren – dabei beziehe ich mich nicht speziell auf unsere Loge – habe ich aus meiner Arbeit alle zu Beginn vorhandenen fremden Meinungen entfernt. Sie enthält nun nur noch meine persönlichen Ansichten zur Thematik. Ich möchte euch dennoch drei wichtige Quellen zur Vertiefung nicht vorenthalten: Da wäre einmal Emile Durkheim, der sich speziell mit Profanem und Heiligem in seinem Werk über Religion beschäftigt. Weil er sich dabei auf die rationale Ebene beschränkt und sämtlichen Bezug zum Transzendenten vermeidet, sollte die Lektüre seines Werkes mit einem Ausflug zu Plato und Aristoteles ergänzt werden, welche dieses Element aus unterschiedlichen Blickwinkeln durchleuchten.
Dominik Aebi – Zur Hoffnung, Bern
Doch nun zu meiner eigenen Arbeit, die
sich in drei Teile gliedert: Im ersten lege ich meine
grundsätzlichen Überlegungen zu den Begriffen „profan“ und
„heilig“ dar, um für den weiteren Verlauf ein einheitliches
Verständnis herzustellen. Im zweiten stelle ich fünf Fragen
zum Zusammenwirken, zu den Unterschieden und zu den
Zusammenhängen. Dabei bleibe ich bei den Fragen – ohne
darauf Antworten zu geben. Vielmehr soll ein jeder Zuhörer
zum Mit- und insbesondere zum Nach-Denken angeregt werden.
Der dritte und letzte Teil der Arbeit legt den Schwerpunkt
nicht mehr auf das Begriffspaar heilig/profan, sondern auf
die titelgebende Frage der Unterschiede zwischen denselben.
Bewusst habe ich Überlegungen zum Heilsversprechen aus
meiner Arbeit ausgeschlossen.
Begrifflichkeiten des
Wortpaares profan und heilig
Ich beginne mit meinem „Bauchgefühl“,
den Bedeutungen, die ich selbst ohne Bezug zur Freimaurerei
und ohne langes Nachdenken den zwei Begriffen geben würde.
Etwas Profanes ist für mich etwas
Gewöhnliches, Weltliches, Alltägliches, das Gegenstück zu
etwas Geweihtem – vielleicht vergleichbar mit der Prosa im
Gegensatz zur Poesie, etwas Handfestes aus dem Alltag. In
der heutigen Welt, in der nur das Herausragende und
Besondere Anerkennung erntet, ist mit diesem Prädikat auch
etwas Ausschliessendes verbunden, und somit haftet ihm auch
der Anflug eines abschätzenden Nebengeschmackes an.
Das Profane ist jedoch nicht das Gegenteil des Heiligen,
denn das ist ja schlicht das Unheilige. Wenn ich auf oben
genannte handgestrickte Definition zurückgreife, so finde
ich im Heiligen zwar die Gegenpole kirchlich zu weltlich
oder geweiht zu ungeweiht. Aber weder die Attribute
aussergewöhnlich noch poetisch, herausragend oder besonders
würde ich persönlich zu einer Erklärung heranziehen.
Vielmehr sehe ich die Verbindung zum Göttlichen und ein
unter diesem Aspekt herausragendes Bezeichnen von Personen,
Bauten und Gegenständen, das jedoch von einer kirchlichen
Sicht geprägt ist und somit verbunden mit dem Gefühl, dass
diese Heiligkeit eine verliehene ist.
So kenne ich aber auch eine innere
Heiligkeit, so wie die Würde sowohl verliehen werden oder in
etwas selbst enthalten sein kann. So ist die Menschenwürde
etwas Heiliges, und heilig mag das Glück der eigenen Familie
sein, das Gedenken an etwas Bestimmtes. Und für einige
Personen können sogar, ich sage es bewusst, so profane
Gegenstände wie ein Auto oder ein Abzeichen heilig sein.
Halten wir diese letzte Bemerkung in Erinnerung, bei den
Fragen werde ich darauf zurückkommen.
Heiliges impliziert das Unberührbare,
Unantastbare und in diesem Verständnis wohl auch gleich die
Abgrenzung zum Profanen, das seinerseits das Heilige nicht
berühren soll, nicht antasten darf. Dabei sind die Grenzen
zwischen Profanem und Heiligem zwar unverrückbar, aber nicht
unüberschreitbar. Die Profanierung macht Heiliges wieder
profan. So sind beispielsweise Sakralbauten von Geweihten
rituell zu profanieren, bevor diese abgerissen werden.
Öfter jedoch geschieht eine
Profanierung durch gewaltsame Grenzüberschreitung, die
Entweihung durch Eindringen des Profanen ins Heilige, des
Antastens des Unantastbaren. Dabei geht es oftmals um die
bewusste Verletzung des Heiligen. Das Erkennen dieser
Verletzung ist, zumindest für eine von der heiligen Handlung
entfernt stehende Person, subtil und oftmals nicht
nachvollziehbar. So ist für die meisten Anwesenden
verständlich, dass die Schlachtung eines Masttieres durch
einen Metzger in einer Kirche eine Entweihung des Gebäudes
darstellt. Dabei besteht ein grosser Unterschied zur
rituellen Schlachtung eines Opfertieres durch einen Priester
in einem Tempel. Halten wir diesen Unterschied ebenfalls in
Erinnerung, er soll Thema des letzten Abschnitts meiner
Arbeit sein.
Als Besonderheit mag noch erwähnt
werden, dass die oben genannte rituelle Schlachtung durch
den Priester in einem kultfremden Sakralbau diesen
gleichzeitig aus Sicht seiner bisherigen Bestimmung
entweihen und für einen neuen Kult weihen kann. Es zeigt
sich die starke Abhängigkeit zwischen Subjekt und Heiligem,
das universellere gemeinsame Verständnis von Profanem.
Zusammenfassend zeigt sich, dass die
Grenze zwischen Profanem und Heiligem nicht fliessend,
sondern trennscharf ist, da sich die Begriffe gegenseitig
definieren und folglich ausschliessen.
Die Grenze kann jedoch überschritten
werden, wobei entweder das Profane zum Heiligen geweiht oder
aber das Heilige profaniert wird. Eine Durchmischung bleibt
ausgeschlossen, vorausgesetzt, das ist essenziell, wir
bleiben im selben Denkschema.
Obwohl keine explizite Wertigkeit
zwischen den beiden Begriffen besteht, wird das Heilige
dennoch durch sein definiertes Abheben vom Normalen und
somit vom Profanen erhöht.
Das Profane ist greifbar und kann in
seiner Eigenschaft und Bestimmung klar bezeichnet werden,
erklärt sich sozusagen durch sich selbst. Das Heilige ist
viel abstrakter. Es dient dem Verständnis eines Glaubens,
eines Kultes, einer Religion, einer Ideologie und vielleicht
sogar eines Lehrgebäudes und ist somit Element einer
sinnlichen Begriffswelt. Wir bewegen uns – dies ist aus
meiner Sicht für den Bezug zur Freimaurerei und somit für
den letzten Teil dieser Arbeit besonders wichtig – in der
Welt der Symbole, Sinnbilder und Zeichen.
Fünf Fragen zu Profanem und
Heiligem
Mit diesen Überlegungen stelle ich uns
gemeinsam fünf Fragen. Diese lasse ich bewusst
unbeantwortet. Sie sollen Gedankenanstoss sein, sei es für
eine Diskussion oder für die persönliche Beschäftigung mit
der Thematik.
Frage 1: Das Wort profan bedeutet „Vor
dem heiligen Ort“, definiert sich somit direkt aus der
Bedeutung des Heiligen selbst. Folglich gibt es kein
Profanes ohne Heiliges. Könnte es jedoch Heiliges ohne
Profanes geben?
Frage 2: Selten lässt sich das Heilige
von den Machtinhabern der Welt trennen, das Profane
präsentiert sich dem gegenüber eher ohnmächtig. Geht es im
Spannungsfeld zwischen heilig und profan primär um Macht,
und ist das Heilige ein Vorwand, um den Machtanspruch zu
festigen?
Frage 3: Heilig und profan sind ein
Begriffspaar, somit kann im selben Denkschema nicht das eine
ohne das andere vorkommen. Ergibt sich durch die Bezeichnung
als Profaner eines ausserhalb der Bruderkette Stehenden
nicht automatisch ein Gleichsetzen des Freimaurerischen mit
dem Heiligen? Und wäre ein solcher Vergleich nicht als
Sakrileg an den verschiedenen Glaubensrichtungen anzusehen,
denen die Freimaurer angehören?
Frage 4: Für gewisse Personen gelten
Dinge als heilig, welche breit abgestützt als profan
bezeichnet würden. So mag für den einen sein Auto heilig
sein, für den anderen sein Männerabend, für die dritte ihre
Nachmittags-TV-Serie. Handelt es sich hierbei um ein anderes
„heilig“ und den profanierten Gebrauch des Wortes, oder ist
es tatsächlich möglich, dass es sich im Denkschema dieser
Personen um heilige Gegenstände oder Bräuche handelt?
Frage 5: Wir kennen als Bedeutung für heilig in der
französischen Sprache die zwei Begriffe „sacré“ und „saint“,
analog zum lateinischen „sacer“ und „sanctus“, und in der
griechischen Sprache gibt es „hieros“, „hagios“ und als
dritten Begriff „hosios“. Jedes dieser Worte hat eine
eigene, sich von den anderen unterscheidende Bedeutung. Was
für Auswirkungen hat dies auf unsere Überlegung zum
Unterschied und Zusammenhang zwischen „profan“ und dem in
der deutschen Sprache in einem einzigen Wort gefassten
„heilig“? Nachdem uns diese Fragen gezeigt haben, wie
unerschöpflich die Thematik ist, wie vielfältig die
Auslegungen sein könnten und zu wie vielen Diskussionsrunden
wir uns zusammenfinden könnten, komme ich zum letzten Teil.
Die Unterschiede zwischen
Profanem und Heiligem
In meiner Arbeit habe ich dargelegt,
dass einer der wesentlichen Unterschiede zwischen Profanem
und Heiligem in deren subjektiver Akzeptanz liegt. So
einigen wir uns recht rasch auf allgemein gültige profane
Gegenstände, Handlungen oder Örtlichkeiten, ganz im
Gegensatz zum Heiligen. Wenn wir nicht derselben
Glaubensgemeinschaft angehören, so haben wir wahrscheinlich
ein gemeinsames Empfinden, was heilig grundsätzlich
bedeutet, nicht jedoch, was wir explizit als
heiligbezeichnen.
Zurückkommend auf mein Beispiel der
gewöhnlichen bzw. rituellen Schlachtung in einem Sakralbau
zeigt sich, dass die Unterschiede gefühlsmässig für uns klar
erkennbar sind. Wir reagieren auf das Sakrileg der profanen
Handlung im heiligen Gebäude. Der Unterschied zeigt sich in
der ausführenden Person und dem Zweck. Ein Ritus heiligt
Gegenstände, Opfertier und Handlung, weiht Priester und Ort.
Wenn auch nur eines dieser Elemente profan bleibt, so
verliert die gesamte Handlung ihre Heiligkeit und profaniert
oder entweiht unter Umständen Ort und beteiligte
Gerätschaften.
Das Heilige ist also empfindlich und
leicht aus dem Gleichgewicht zu bringen. Das Profane
hingegen ist geerdet, ein heiliger Gegenstand in seiner
Umgebung mag vielleicht das Unbehagen des Ungewohnten
wecken, jedoch kaum eine profane Handlung zerstören. Was
unser Verstand nicht fassen kann, können wir dennoch fühlen.
Diese Gefühle gezielt anzusprechen, verlangt bestimmte
Techniken. Wir verlassen das Profane und begeben uns in die
Welt der Symbole, Sinnbilder und Zeichen, welche die
gewünschten Impulse geben können und Affekte überhaupt erst
tradierbar machen. Im richtigen Kontext mögen diese als
heilig bezeichnet werden – auf jeden Fall sind sie nicht
profan.
Es zeigt sich wiederholt das
Spannungsfeld zwischen gefühlvoll und greifbar, zwischen
Geistlichem und Handfestem, Transzendenz und Materie. Und
damit zeigt sich auch, dass wir nicht von einer Abstufung im
Sinne einer Wertung sprechen dürfen, sondern von
verschiedenen Ebenen, welche wie ausgeführt im direkten
Bezug keine Durchmischung zulassen und dennoch weder bei
einem Gegenstand, einem Gebäude, einer Handlung oder einem
Menschen die Gesamtheit beschreiben, sondern nur einen
Teilaspekt beleuchten. So würden wir einen Priester als
Profanen vor unserem Tempel wiederfinden, die Mehrheit
unserer Brüder ebenso profan im Vatikan.