Dossier
Schritte nach dem Meistergrad
2002 veröffentlichte die Schweizerische Grossloge Alpina (SGLA) eine Broschüre über die vier Systeme der sogenannten Hochgrade, die heute in unserem Land zugänglich sind. Den Anstoss gab der damalige Grossmeister, Jean-Jacques Sunier. Er betonte, dass die SGLA in regelmässigen und brüderlichen Verbindungen zu diesen Systemen steht.
Thomas Müller
Ein Überblick über die weiterführenden Systeme
Der Rektifizierte Schottische Ritus (RSR)
Der Rektifizierte Schottische Ritus ist ein maurerischer
Ritterorden und entstammt ursprünglich der Strikten
Observanz. Es wurde an den Konventen von Kohlo 1772, von
Lyon 1778 und von Wilhelmsbad 1782 rektifiziert. 1779 wurde
in der Schweiz das Unabhängige Grosspriorat von Helvetien
(UGPH) gegründet. Es handelt sich um das älteste in der
Schweiz arbeitende System. Der Orden verfolgt das Ziel,
seine Mitglieder in der geistigen und sittlichen
Weiterentwicklung zu unterstützen. Er gründet auf dem
Glauben an eine höhere Macht, die als «Grosser Baumeister
aller Welten» bezeichnet wird. Der Orden ist christlich im
weitesten Sinn, aber ohne jegliches Dogma. Nächstenliebe und
Wohltätigkeit sind Teil seiner Zielsetzungen.
Er gliedert sich in sechs Grade: Lehrling, Geselle,
Meister, Schottischer Andreasmeister, Schildträger-Novize
und Wohltätiger Ritter der Heiligen Stadt. Seit der Gründung
der SGLA im Jahr 1844 beschränkt sich die Oberhoheit des
UGPH auf die drei Perfektionsgrade. Der Innere Orden setzt
sich aus den Wohltätigen Rittern der Heiligen Stadt (6.
Grad) und den Schildträger- Novizen (5. Grad) zusammen. Das
UGPH zählt sechs Präfekturen: Basel, Genf, Léman, Neuenburg,
Tessin und Zürich, denen die Andreaslogen zugeordnet sind.
Es wird vom Grosskapitel geleitet, das sich aus 27 Rittern
zusammensetzt. An seiner Spitze steht der
Grossprior-Nationalgrossmeister. Er wird vom Helvetischen
Direktorium unterstützt, dem neben ihm der zugeordnete
Grossprior, der Grosskanzler und die Präfekten angehören.
Das UGPH pflegt Beziehungen zu den anderen Grossprioraten
des Ordens und zu den verwandten Systemen in Deutschland,
England, Irland, Schottland, Skandinavien, Amerika und
Australien. Die Mitglieder des Ordens treffen sich
regelmässig, im allgemeinen einmal monatlich, zu einer
Instruktion, Konferenz oder rituellen Arbeit.
Der Alte und Angenommene Schottische Ritus (AASR)
Die grossen freimaurerischen Konstitutionen von 1762 und
1786 bilden bis heute die Grundlage des AASR. Der Oberste
Rat – die höchste Behörde des Ritus – wurde 1801 in
Charleston, South Carolina (USA), ins Leben gerufen. Bereits
1802 wurde in der Schweiz eine erste Bauhütte, das Kapitel
«Prudence» in Genf, gegründet. 1873 folgte in Lausanne die
Konstitution des Obersten Rats der Schweiz. Der AASR
erweitert und vertieft das Gedankengut der
Johannis-Maurerei. Seine Mitglieder engagieren sich für die
Gedanken-, Geistes- und Glaubensfreiheit. Es gibt keine
alleinige Lehrmeinung; daraus ergibt sich eine von Toleranz
geprägte Meinungsvielfalt. Der AASR ist politisch und
konfessionell neutral. Er arbeitet in drei Hauptstufen: dem
Kapitel, dem Areopag und dem Konsistorium. Bauhütten
befinden sich in Basel, Bern, Genf, La Chaux-de- Fonds,
Yverdon, Lausanne, Lugano, St. Gallen, Sitten und Zürich.
Etwa 1000 Brüder gehören heute in der Schweiz diesem Ritus
an. Der AASR der Schweiz steht Freimaurer- Meistern der SGLA
ungeachtet ihrer Nationalität und ihres Glaubens offen,
sofern sie seit wenigstens einem Jahr im
dritten Grad stehen.
Royal Arch (RA)
Der Orden des Heiligen Royal Arch von Jerusalem, kurz:
Royal Arch, hat in der Schweizer Freimaurerei eine
Sonderstellung. Es handelt sich nicht um einen vierten Grad,
sondern um die Ergänzung des dritten Grads der Freimaurerei.
Nach Erhebung des Gesellen in den Meistergrad wird der neue
Meister belehrt, dass durch den vorzeitigen Tod von H. A. B.
die Geheimnisse des M. M. verloren gingen. Das verlorene
Wort wurde durch Geheimnisse ersetzt, um alle M. M. daran zu
erinnern, bis dass Zeit oder Umstände die ursprünglichen
wiederbringen würden. Im Royal-Arch-Ritual wird dem jungen
Meister die Auffindung des verlorenen Wortes ermöglicht. In
dem Sinn stellt der Royal Arch die Essenz der blauen
Maurerei dar. Die Symbolik beruht auf alttestamentlichem
Geschehen; u. a. finden wir im Royal-Arch-Kapitel die
Standarten der zwölf Stämme von Israel. Eine reiche Symbolik
befasst sich mit dem Geschehen um den Wiederaufbau des
Tempels Salomonis. Es begegnen auch Mann, Löwe, Stier und
Adler sowie u. a. die fünf regulären platonischen Körper.
Der in der blauen Maurerei verehrte A. B. A. W. wird im
Royal Arch zum «Allerhöchsten Wahren und Lebendigen Gott».
Im Zentrum stehen Geradheit des Betragens, Festigkeit,
Standhaftigkeit, Gerechtigkeit und Liebe zu aller Kreatur.
Geschichtlich leitet sich das Ritual von den «Anciens» ab.
Diese kannten als Grade Lehrling, Geselle, Meister und den
Heiligen Royal Arch von Jerusalem. Jerusalem galt in der
Symbolik der alten Hermetiker nicht als wirkliche Stadt,
sondern als Ort des ewigen himmlischen Friedens – ein Ziel,
das nur mit Lauterkeit des Charakters und der Lebensführung
durch die Gnade von oben zu erreichen war. Die «Moderns»
(Grossloge von England) übernahmen dieses Ritual als eine
besondere Kostbarkeit. Heute kann jeder Meistermaurer
mindestens ein Jahr nach seiner Erhebung dem Royal Arch
beitreten. Es wird in Bern, Chur, Genf, Lausanne und Zürich
gearbeitet. Jährlich werden vier Rituale durchgeführt – eine
grosse Chance, tiefer in die Ritualistik und Symbolik der
Freimaurerei einzudringen, sich persönlich über viele Fragen
nach dem Warum einer Ritualhandlung klar zu werden und
Verständnis für andere weiterführende Grade zu entwickeln.
Mark-Maurerei
Die Mark-Maurerei war ursprünglich eine Vertiefung des
Gesellengrades in der Johannis-Maurerei. Ihr Ritual
behandelt ein Ereignis während des Baus von Salomons Tempel.
Der Stein wird aus einem unberührten Felsenund zum Baustein
gehauen. Im Ritual wechselt der Kandidat in eindrücklichen
Bildern vom Steinbruch über die Steinmetz-Werkstatt zur
Prüfung und Einfügung des behauenen Steins und wird so vom
Mark-Mann zum Mark- Meister Maurer – fähig, nach dieser
Weiterbildung einer Loge von Johannis- Maurern vorzustehen.
Es vermittelt, dass Bildung die Belohnung von tadelloser
Arbeit und makelloser Lebensführung ist, und enthält
Hoffnung und Ansporn.
Das Ritual ist reich an Symbolik und Belehrung. Dass auch
die Bauleiter in der rituellen Aufnahme anfänglich den Wert
des Schlusssteins für den perfekten Bogen nicht erkannten,
den der geschickte Geselle aus eigenem Antrieb fertigte,
soll uns daran erinnern, dass wir im Leben immer wieder an
überraschende Lösungen für unsere Probleme herangeführt
werden, wenn wir nur unvoreingenommen sind und die Augen
offen halten. In der «Mutterloge » in Kilwinning kennt man
das Protokoll einer MMM-Zusammenkunft von 1642. Die
Mark-Maurerei hat sich von Schottland aus bald auf England
und Irland ausgebreitet. Bereits 1856 wurde für die
Mark-Maurerei in England eine eigene Grossloge konstituiert.
Heute ist der Mark-Orden weltweit der drittgrösste innerhalb
der Freimaurerei, nach der blauen Maurerei und dem Royal
Arch. Die MMM hat sich auch in Deutschland, Österreich,
Israel, Australien, Finnland, Frankreich, Kanada, den USA in
und andern Ländern verbreitet.
Eine grosse Zahl von Schweizer Freimaurern hat im Ausland
Aufnahme in den MMM gefunden. Es entstand der Wunsch, diesen
Grad auch in der Schweiz bearbeiten zu können. Nachdem 1992
in Genf eine Mark-Maurer-Loge gegründet worden war,
entstanden unter Aufsicht der englischen Grossloge sechs
selbständige Logen in Genf, Lausanne, Basel, Chur,
Winterthur und (in englischer Sprache) Zürich. Der mit der
SGLA geschlossene Vertrag ermöglichte 1996 die Gründung der
«Nationalen Grossloge der Mark- Meister Maurer der
Schweiz».Die Mark-Maurerei hat in der Schweizer Freimaurerei
ihren anerkannten Platz. Dabei gelten die gleichen
Voraussetzungen wie bei den andern weiterführenden Orden.
Die Mark-Maurerei hat keinerlei Bedenken gegen eine
gleichzeitige Mitgliedschaft beim RA oder andern Hochgraden.
Im Gegenteil: In allen Ländern ausser der Schweiz muss man
sogar zuerst MMM, dann Royal-Arch-Maurer werden, um in einen
Hochgrad- Orden (AASR oder RSR) aufgenommen zu werden. Im
Mark-Grad gibt es – genauso wenig wie im Royal Arch – denn
auch keine Einschränkungen. In der Mark-Maurerei wird v. a.
rituell gearbeitet. Die Arbeiten finden dreimal jährlich
statt.