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Dossier
Pate und Patensohn: eine Umfrage
Das Verhältnis von Pate und Patensohn begegnet in unterschiedlichen Formen. Charaktere, Rollenverständnisse sowie die Konstellationen in der Loge wirken sich je nachdem anders aus. Gleichwohl gibt es einen bestimmten Grundtenor. Hier Auszüge aus einer Umfrage bei Brüdern aller drei Grade. Es begegnen auch kritische Töne.
Thomas Müller
Meine Rolle als Patensohn
Als Patensohn muss ich offen und ehrlich gegenüber meinem
Paten sein. Seine Hinweise muss ich ernst nehmen. Über meine
Aktivitäten und Ansichten sollte ich offen kommunizieren.
- Auch Bedenken anmelden.
- Demut, zuhören, sich einlassen, unvoreingenommen
sein.
- Es ist gut, nicht auf sich allein gestellt diese
neue Welt erkunden zu müssen. Zur Dankbarkeit, dass mir
Literatur, Werkzeuge und persönliche Gespräche angeboten
werden, gehört aber auch mein ernsthaftes Suchen. Es
bedingt, dass ich Neues kennenlernen möchte. Der Neophyt
muss den Mut aufbringen, den Wandlungsprozess
mitzutragen.
Meine Erwartungen an den Paten
Als Patensohn muss ich mich voller Vertrauen an meinen
Paten wenden können, er muss mir Schutz und Geborgenheit
bieten und jederzeit für mich da sein. Der Pate muss absolut
integer sein und meine Anliegen oder Fragen sehr vertraulich
behandeln. Es muss dem Paten gelingen, ein Verhältnis des
Vertrauens aufzubauen und im richtigen Moment entscheidende
(kleine) Einflüsse auf den Patensohn auszuüben.
- Kein Chef. Ein brüderliches Verhältnis, nicht
dozieren und mich formen wollen.
- Den Lehrling in seiner Arbeit am rauen Stein
unterstützen und zur Aufmerksamkeit ermahnen.
- Freundschaft, Respekt, auf andere Brüder mit ihren
Kompetenzen hinweisen.
Erfahrungen
Ich habe ein Geschenk erhalten. Mein Pate hat die
Freimaurerei verkörpert.
- Glücklich war ich, als mir beim Start in die
Freimaurerei ein Pate zur Seite gestellt wurde. Bald
merkte ich, dass er in allen Fragen sehr bewandert war
und verschiedentlich auch schon publiziert hatte. Mein «Götti»
konnte alle meine Fragen beantworten und ermutigte mich
bei meinen ersten «Flügelschlägen». Die Bezeichnungen «Götti»
und Bruder bedeuten mir «väterlicher Freund».
- Wenn ich meinen Paten heute sehe, ist nichts mehr
vom Lehrer/Schüler-Verhältnis da, aber es steigt in mir
immer ein warmes Gefühl der Verbundenheit mit ihm auf.
Wir sind beide Söhne von etwas Grösserem geworden.
- Mein Pate war ein weiser und kundiger Mann. Er gab
mir viele Ideen und Ansätze, die ich dann in der Folge
dahingehend selber prüfen musste, ob ich dazu Resonanz
finde oder nicht.
- Jeder Br.·. hat eine sehr persönliche Erwartung. Für
manche ist es wichtig, klare Anweisungen zu erhalten:
Lies dieses Buch, schreibe jenen Text. Für andere Brr.·.
ist es wichtig, dass sie in einem abgesteckten Rahmen
aktiv sein und sich der Grenzen vergewissern können. Ich
gehöre zur zweiten Gruppe und hatte das grosse Glück,
dass mein Pate mir die Grenzen des Sinnvollen aufgezeigt
und im richtigen Moment die richtigen Impulse gesetzt
hat. Grundsätzlich glaube ich, dass die Paten – wie die
Beamten auch – auf ihre Aufgabe vorbereitet werden
sollten. Es ist doch ein erheblicher Einfluss, der hier
– im Positiven wie im Negativen – vom Paten ausgehen
kann.
- Die Einrichtung, dem «Suchenden» einen
«Eingeweihten» zur Seite zu stellen, ist vermutlich
nicht eine Erfindung der Freimaurerei. Die Spuren lassen
sich bis in die Menschwerdung zurückverfolgen. Dass
diese Art der «Psychagogik » in der Freimaurerei Eingang
gefunden hat, zeugt von den tiefen Einsichten der
Gründerväter.
Meine Rolle als Pate
Beraten, begleiten, helfen, nicht selbstherrlich, sondern
auf Augenhöhe sein, keine Dogmen.
- Als Pate spiele ich die Rolle eines maurerischen
Vaters. Ich geniesse den Respekt eines ehrlich
strebenden Mannes, der in mir ein Vorbild sieht und dem
gegenüber ich mich befleissigen muss, diesen Respekt
immer wieder aufs Neue zu verdienen. Dabei darf ich
nebst dem Ernst der Sache auch den Humor nicht
vergessen, denn die Freimaurerei ist ganzheitlich, und
Heiterkeit bindet ebenso stark an die Loge wie das
Wissen. Der Patensohn soll sich unter den Brüdern
wohlfühlen.
- Meine Rolle als Pate verstehe ich so, dass ich dem
Patensohn das geben kann, was er braucht, um sich in der
Freimaurerei sicher bewegen zu können, d. h. die
Etikette kennt und anzuwenden weiss. Im Weiteren
versuche ich, in meinem Patensohn den Menschen zu
erkennen, wer er ist, wo er steht und was er von der
Freimaurerei erwartet. Als Pate trage ich eine grosse
Verantwortung. Es gilt den neuen Bruder zu instruieren,
was maurerisches Brauchtum, Formales und Regeln
anbelangt, z. B. des Benimms. Zudem sollte ich ihm ein
tieferes Verständnis der Freimaurerei vermitteln. Da
geht es um Historisches sowie die Symbole und Rituale,
die ich für ihn sozusagen «übersetzen» muss.
Meine Erwartungen an den Patensohn
Er soll Probleme äussern, Zweifel anmelden.
- Dass er ehrlich und offen zu mir ist.
- Vom Patensohn erwarte ich, dass er die Arbeiten
regelmässig besucht, über das Gesehene und Gehörte
fleissig Fragen stellt und Baurisse schreibt, die mit
den Tempelarbeiten in direktem Bezug stehen, damit ich
weiss, dass er sich mit den maurerischen Symbolen und
Bräuchen seines Grades eingehend befasst hat.
Erfahrungen
Die Chemie muss stimmen.
- Jeder Patensohn bringt in die Loge auch seine eigene
Persönlichkeit mit. Man darf nicht bei jedem den
gleichen Massstab anwenden. Manchmal gibt es beim
Patensohn private Schwierigkeiten oder persönliche
Probleme, und die wollen auch beachtet und
mitberücksichtigt sein. Also nicht nur belehren und
fordern, sondern auch an seinem Gefühlsleben Anteil
nehmen, denn das Vor-bild des Paten ist entscheidend und
hat Langzeitwirkung.
- Als Pate wird man meist aus einem von zwei Gründen
erkoren. Der erste ist: Man hat den Neophyten bereits
vorher gekannt und ihn zum Beitritt in die Freimaurerei
ermuntert. Da wird nicht mehr lange überlegt. Soll er
doch gleich auch den Paten machen! Alle sind erleichtert
und einverstanden. Niemand fragt mehr danach, ob die
beiden charakterlich, bildungsmässig oder von den
sozialen Verhältnissen her überhaupt ein sinnvolles Team
bilden können. Gerade bestehende Freundschaften könnten
doch in der Wechselwirkung mit den hierarchischen
Strukturen in arge Bedrängnis geraten. Bei mir war der
zweite – vielleicht häufigste – Grund ausschlaggebend;
es hat sich sonst einfach niemand anders gemeldet …
Natürlich habe ich mich anfangs trotzdem gefreut und war
voller Enthusiasmus. Leider ist der aber ganz schnell
verpufft. Das hatte mehrere Gründe. Meine beiden Patensöhne
hatten keine Vorstellung davon, welche Funktionen dem Paten
obliegen und wie ihr Verhältnis zu ihm geregelt ist. Ich
aber wollte mich ihnen gegenüber auch nicht als der grosse
Zampano aufspielen. Sie waren voll guten Willens und
stiessen überall auf Brr\, die ihnen wohlwollend und ohne
mein Wissen «weiter halfen». Die bei jungen Brr\ infolge
beruflicher Anspannung üblichen und verständlichen
Terminprobleme taten ihr Übriges, so dass ein von mir
angestrebtes, geordnetes Hineinwachsen in das Wesen der
Freimaurerei immer weniger möglich war. Darunter hatte ich
sehr gelitten, sah mich aber ausserstande, den Lauf der
Dinge zu ändern. Heute tröste ich mich damit, dass ich
feststellen durfte, dass auch aus einer eher ungünstigen
Patenschaft tüchtige und geliebte Brr\ Meister hervorgehen
können.
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