Alpina 4/2000
Das Thema hat offensichtlich bei den Brüdern keinen Anklang gefunden. Es
ging von keiner Loge eine Arbeit dazu ein. Das ist erstaunlich, denn im
Vorfeld der Volksabstimmung wurde in einer Zeitschrift in Basel der Vorlage
der Vorwurf gemacht, es handle sich um eine freimaurerische Verfassung, die
abzulehnen sei. Dem ist natürlich nicht so. Während die erste Verfassung des
neuen Bundesstaates von 1848 weitgehend das Werk eines einzelnen war,
nämlich des Freimaurers und späteren Bundesrates Jonas Furrer, und die
revidierte Verfassung von 1874 freimaurerischen Geist atmete, hat an der
neuen Verfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft kein Freimaurer
mitgearbeitet. Es waren vor allem Spezialisten
des Verfassungsrechts, aber auch Politiker, die die neue Verfassung schufen
und die schliesslich auch im Parlament noch mannigfache Änderungen
anbrachten. Aber Freimaurer waren bei der Entstehung nicht beteiligt. Und
trotzdem atmet sie freimaurerischen Geist. Sie beginnt mit den Worten . Und
sie führt dreissig verschiedene Freiheitsrechte auf, die in der Schweiz nun
verfassungsmässig garantiert sind. Die alte Verfassung kannte nur deren
acht. Für die Zeitschrift Alpina hat der Jurist Gabor Paul Ondo das Thema
bearbeitet. Er unterzieht die neue Verfassung unseres Landes, die seit
Neujahr in Kraft ist, einer kritischen Würdigung aus freimaurerischer Sicht
und kommt zum Schluss, dass sie ein modernes, zeitgemässes Grundgesetz ist,
das auch für spätere Ergänzungen und Anpassungen Raum offenlässt.
Der neuen Verfassung wurde vorgeworfen, dass sie keine grossen neuen
Ideen verwirkliche, sondern nur das Bestehende weitgehend in eine neue Form
bringe. Wie Gabor Ondo jedoch in seiner Arbeit feststellt, ist dies nur
bedingt richtig. Es hat neue Aspekte in der Verfassung, beispielsweise den
Umweltschutz, das Verbot der Veränderung des menschlichen Erbgutes und die
Nachhaltigkeit, das heisst die Verantwortung gegenüber den künftigen
Generationen. Für die Freimaurerei ist die neue Verfassung zudem eine
Genugtuung, indem sie feststellen kann, dass das Einstehen für die
Menschenrechte und die Menschenwürde heute zum Allgemeingut geworden ist. So
atmet die neue Bundesverfassung, auch wenn ihr keine Freimaurer zu Gevatter
gestanden sind, viel freimaurerischen Geist. Und darüber dürfen wir uns
freuen.
Alfred Messerli
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