Alpina 10/2001

Recht und Justiz heisst das Leitthema dieser Nummer der Alpina. Justiz kommt vom lateinischen Justitia, Gerechtigkeit. Justitia ist die altrömische Göttin, die Personifikation der Gerechtigkeit. Nördlich der Alpen ist sie als allegorische Figur mit den Attributen Schwert und Waage in Ratshäusern und als Brunnenfigur dargestellt. Der Begriff Justitia findet sich auch über dem Altar im freimaurerischen Tempel.

Der Begriff Recht ist der Inbegriff der vom Hoheitsträger, das heisst vom Staat, ausgehenden verbindlichen Regeln für das Verhalten der ihm unterstellten Menschen. Diese Regeln finden sich heute vor allem in der Verfassung, in den Gesetzen und Verordnungen, während das sogenannte Gewohnheitsrecht praktisch keine Rolle mehr spielt.Das Recht ist der ideale Ausdruck der sittlichen Gesetze, welche die menschliche Gesellschaft aufstellt und nach denen sich jeder zu richten hat. Das Gesetz ist die den gegebenen Umständen angepasste Formulierung dieser Prinzipien. Das Recht ist göttlicher Herkunft - beispielsweise die allgemeinen Menschenrechte, - das Gesetz dagegen Menschenwerk. Das ideale Recht wird von allen guten Menschen im Herzen getragen. Ihm zu gehorchen ist ein kategorischer Imperativ. Aber auch die bestehenden Gesetze müssen respektiert werden, auch wenn sie der einzelne als unvollkommen erkennt.

Der Freimaurer - und das ist schon in den alten Pflichten niedergelegt - unterwirft sich den Gesetzen des Landes, in dem er lebt, selbst dann, wenn sie von ihm subjektiv als unrecht empfunden werden. Er beugt sich dem Willen der Allgemeinheit, selbst wenn sich dieser als Irrtum erweisen sollte.

Ausser den bürgerlichen Rechten untersteht der Freimaurer auch noch dem Maurerrecht. Das sind die Gesetze und Verordnungen unseres Bundes. Wenn der maurerischen Gesetzgebung Freiheiten offengelassen sind bei der Festsetzung der Modalitäten im administrativen Bereich, so können solche Freiheiten dort nicht gelten, wo es um die sittlichen und geistigen Belange der Angehörigen unseres Bundes geht. Wo es um den ideellen Kern der Freimaurerei geht, um ihre Prinzipien und ihre Lehrmethode, also um Symbol und Ritual, tun wir gut daran, am erprobten Alten festzuhalten und den Modernismus im Brauchtum von unseren Tempeln fernzuhalten.

Alfred Messerli

 
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