Alpina 1/2003
Der Stein – ein Kultobjekt? – So lautet das Thema der Januarnummer
unserer Zeitschrift. Was ist ein Kultobjekt überhaupt. Er ist ein
Gegenstand, ein Bild, ein Symbol, ein Opfergerät. Wir Freimaurer kennen den
Kult im christlichen Sinne nicht, das heisst die geregelte Form der
Begegnung mit dem Göttlichen, bzw dem Heiligen.
Richtiger wäre eher: Was bedeutet uns der Stein als Symbol in der
Freimaurerei. Wir kennen zwei Arten von Steinen: Den rauhen Stein, im ersten
Grad, und den kubischen Stein im zweiten Grad. Der unbehauene und rauhe
Stein ist das Symbol des Lehrlingsgrades. Darauf ruht der Spitzhammer, als Symbol für die Arbeit am rauhen Stein.
Gemäss dem Ritual müssen wir lebenslang an ihm arbeiten, damit die Seiten
geglättet werden und daraus ein kubischer Stein entsteht, der als Eckstein
des Tempels dienen kann. Das ist das Sinnbild für die Arbeit an uns selbst,
der Weg zur Selbstveredelung des Menschen.
In verschiedenen freimaurerischen Systemen gilt der rauhe Stein, neben
dem kubischen Stein und dem Reissbrett, als unbewegliches Kleinod im Tempel.
Der rauhe Stein gilt als Sinnbild der Unvollkommenheit, vor allem des
Lehrlings, des neu in den Bund Aufgenommenen, der wie der Stein, der eben
aus dem Steinbruch kommt, noch voll Unebenheiten ist. Diese Unebenheiten
müssen verschwinden, wenn der Stein tauglich zum Bau werden soll. Wer nicht
nur rein äusserlich Freimaurer sein will, muss darum bemüht sein, die Kanten
und Ecken zu beseitigen, die seine Schwächen und Leidenschaften und üblen
Gewohnheiten darstellen. Wer sich zur Freimaurerei bekennt, verpflichtet
sich, an sich selber zu arbeiten. Die Erziehung in der Loge soll dazu
dienen, den rauhen zum behauenen, zum kubischen Stein zu gestalten, an den
erst das Winkelmass angelegt werden kann.
So gesehen kann der rauhe Stein niemals ein Kultobjekt sein. Er ist für
uns Freimaurer ein Symbol von uns selbst.
Alfred Messerli |