Alpina 11/2003
Der Monat November ist jeweils die Zeit der Totengedächtnisse und der
Trauerlogen. Zeit, auch in unserer Zeitschrift die Gedanken von Leben und
Tod zur Diskussion zu bringen. Karl Mühlebach äussert in seiner Arbeit die
Ansicht, dass ohne das Ende das Leben jeden Sinn verlöre. Ein Gedanke, der
bedenkenswert und einer Diskussion wert ist. Welch schrecklicher Gedanke,
dass das Leben kein Ende, dass es keinen Tod gäbe, oder anders ausgedrückt,
dass der Mensch ewig leben könnte. Dieser Gedanke hat eine neue Aktualität,
ja eine neue Dimension gewonnen durch die Ankündigung der Rael-Sekte, dass
sie den ersten Menschen klonen werde und dass damit der Mensch
Unsterblichkeit erlange. Ganz abgesehen davon, dass dies eine unerhörte Anmassung ist und die
Raelianer-Sekte den Beweis für ihre Behauptung bis heute schuldig geblieben
ist, wäre es unerträglich, wenn wir ewig leben müssten. Der Traum von der
Unsterblichkeit könnte sehr bald zum Albtraum werden. Für uns Freimaurer ist
die Unsterblichkeit nicht das Ziel. Freimaurerei richtig verstanden lässt
keinen Platz für die Angst vor dem Tod. Wir wissen, dass der Tod nichts
Endgültiges, nichts Definitives ist, sondern ein Übergang von unserem
heutigen Leben in etwas Neues, von dem wir nicht wissen, was es ist und wie
es aussieht. Es wird die Vollendung unseres Steines sein, an dem wir ein
Leben lang gearbeitet haben. Der viel zu früh verstorbene Schriftsteller
Marcel Valmy hat vor seinem Tod als Redner der Loge «Zur Kette» in München
eine Ansprache zum Thema «Tod und Auferstehung» gehalten, in der er
besinnliche und persönliche Gedanken zum Tode äussert, als hätte er sein
baldiges Ableben geahnt. In seinem Essay befasst er sich mit der Frage «Was
kommt nachher?». Es sind seine persönlichen Ansichten. Die Freimaurerei hat
darüber keine bestimmte Aussage gemacht. Jeder Bruder kann darüber denken
wie er will. Es gibt kein Dogma und schon gar nicht eine Aussage, dass es
eine Art Wiedergeburt oder neues Leben nach dem Tod gäbe. Die Freimaurerei
sagt lediglich, der Tod sei ein Übergang, ein Neubeginn. Übergang wohin und
neuer Beginn von was? Das sind Fragen, die offen bleiben müssen. Auch die
Freimaurerei kann dazu keine sicheren Antworten geben. Alfred Messerli |