Familie und Beruf oder Loge (Alpina 4/2008)

Familie und Beruf oder Loge ist das Thema der April-Nummer unserer Zeitschrift. Alle Beiträge, die wir dazu erhalten haben, sind der gleichen Meinung. Das Wort «oder» ist am falschen Platz, es muss richtigerweise «und» heissen. Denn Familie und Beruf und Freimaurerei gehören zusammen. Man kann nicht das eine vom andern trennen. Ein guter Freimaurer ist ein harmonischer Mensch. Und das nicht bloss in der Loge oder im Tempel. Die Harmonie muss ausstrahlen auf das Leben, auf die Familie, aber auch auf das Berufsleben. Man muss es spüren, dass einer ein Freimaurer ist, auch wenn man das nicht explizit weiss. Deshalb bedeutet es für einen Freimaurer, dass er sich Zeit nimmt, Zeit für den Lebenspartner, für die Kinder, aber auch den Berufskollegen, für Untergebene, für die er sich verantwortlich fühlt. Aber er muss auch Zeit haben für seinen Bruder in der Loge. Er muss auf ihn zugehen, ihn anhören und ihn zu verstehen versuchen.

Die Aufgabe der Freimaurerei ist der Gemeinschaft zu zeigen, was sie dem Individuum schuldet und den Individuen zeigen, was sie der Gemeinschaft schulden. Alle Arbeit des Freimaurers ist eine Arbeit an der Harmonisierung der Person und der Gemeinschaft, in der der Freimaurer lebt, also der Familie, der Loge, des Volkes, der Menschheit. Diese Aufgabe ist undankbar.

Jede Aufgabe ist undankbar, bei der man die Menschen auf Pflichten aufmerksam machen muss. Den Beifall der Menge hat der, der von den Rechten dieser Menge redet.

Nun gibt es im sozialen Leben weder Recht noch Pflicht an sich allein. Das soziale Recht ist im Wesentlichen das Recht, nach der Pflicht des Gewissens frei leben zu dürfen, es ist das Recht, das, was man als seine Pflicht erkannt hat, auch tun zu dürfen. Die soziale Pflicht aber ist es, jedem Menschen zu diesem Recht zu verhelfen und durch viele so Befreite eine optimal arbeitende Gemeinschaft zu erzeugen und zu erhalten. Recht und Pflicht sind also nicht diese sich einander ausschliessenden Gegensätze, die demagogische Sozialadvokaten aus ihnen gemacht haben. Die mir obliegende Pflicht gegen mich selbst als freier Mensch, gegen meine Mitmenschen im einzelnen und in der Form der Gemeinschaft, in der ich mit ihnen lebe, will ich das Recht haben, zu erfüllen. Franz Carl Endres hat dies treffend formuliert. «Mein Recht als freier Mensch mir zu verschaffen und denen, die um mich leben und der Gemeinschaft, in der wir leben, das ist meine Pflicht. Einem Menschen zu seinem sozialen Recht verhelfen, heisst also ihm die Möglichkeit geben, seiner Pflicht zu leben».

Alfred Messerli

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