Sinn der Begegnung mit anderen Logen
(Alpina 5/2009)
Begegnung ist Austausch; ein Aufeinader-
Zugehen; ein interessiertes Zuhören und Beitragen;
ein Austausch, ohne sich selber in den
Mittelpunkt zu setzen. Begegnung ist ein magischer
Moment, der einmal stattfindet und bei
einer anderen Gelegenheit nicht mehr funktioniert.
Es ist ein Moment der Selbstfindung und
der Reflexion, aber auch ein kontemplativer
Moment des Erlebens und Seins. Man kann
zufällig jemanden auf der Strasse oder beim
Umsteigen auf eine andere U-Bahn Linie
begegnen oder einer Aufgabe, einem Ereignis,
einer Frage, sich selbst oder auch höheren
Mächten. – Begegnung setzt voraus, dass man
das, was einem begegnet, wahrnimmt, anerkennt
und offen ist für einen Austausch. Das
gilt für Menschen, andere Sitten, unterschiedliche
Weltanschauungen und fremde Kulturen
gleichermassen. Schaut man weg, weicht man
aus, kann es zu keiner Begegnung kommen.
Damit liegt in der Begegnungsfähigkeit schon
ein Anerkennen dessen, was uns begegnet.
Begegnung kann aber auch mit Gegner zu tun
haben. Man begegnet einer Angelegenheit mit
Misstrauen; man begegnet einem Widersacher;
man begegnet der Finanzkrise. Dieses
meist forsche Gegenwirken verursacht oft entgegengesetzte
Kräfte, die es wiederum zu
bewältigen gilt. Aber im positiven Fall, führt
auch das sich gegen Hindernisse stellen im
Endeffekt zu Erkenntnis und Weisheit. Martin
Buber schrieb in seiner philosophischen Schrift
«Das dialogische Prinzip. Ich und Du»: «Alles
wirkliche Leben ist Begegnung». Der Mensch
kann sein Menschsein nur in seinem Gegenüber
verwirklichen. Alleine kann er es nicht.
»Die Einsammlung und Verschmelzung zum
ganzen Wesen kann nie durch mich, kann nie
ohne mich geschehen». Dass alles Sein, die
gesamte Persönlichkeit schon im zartesten Kindesalter
durch Begegnungen entsteht und
wächst, sieht man beim Erlernen der Sprache,
beim Ausgestalten der Umgangsformen durch
Kontakt mit der Umwelt und durch Nachleben
der Vorbilder. Wir alle tragen also durch unser
(mehr oder weniger) vorbildliches Verhalten als
Vorbild eine relativ grosse Verantwortung. Die
Begegnung in den Logen und zwischen den
Logen sollte uns Freimaurern Mittel und Freude
zugleich sein, denn kaum etwas schärft den
Sinn fürs Wesentliche, für das, was wir vertreten
mehr als die Begegnung – der Austausch.
Sei es rituell, wo erst durch unterschiedliche
Praxis der Kern des Rituals zum Vorschein
kommt, sei es persönlich, wo durch Bekanntschaften
zwischen Brüdern neue Freundschaften
entstehen können oder letztlich auch durch
den Besuch einer anderen Region sich auch
wunderbare Schätze und Sehenswürdigkeiten
erschliessen lassen. Also: worauf warten wir
noch?
Adrian Bayard
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