Quantität und Qualität in der Freimaurerei
(Alpina 6-7/2009)
Jede Organisation, jeder Verein muss neue
Mitglieder finden, um das langfristige
Überleben der Körperschaft zu sichern –
so auch die Freimaurerei. Gerade sie vielleicht
besonders, ist doch das durchschnittliche
Eintrittsalter relativ hoch.
Nun hat dies bei so traditionsreichen
Bewegungen direkt noch nichts mit
Wachstum zu tun; vielmehr spricht man
da von Erneuerung. Aber auch da ist die
Frage, welche neuen Mitglieder wollen
wir? Welche passen zu uns? Dies unterstellt
die Frage nach einer qualitativen
Selektion, auf die etwas später eingegangen
wird. Wachstum ist auch ein quantitatives
Merkmal und bedeutet: Nettozuwachs.
Nun ist die schiere Anzahl der Mitglieder
aus zweierlei Sichtweisen förderlich:
zum einen gewinnt die Vereinigung
gesellschaftlich an Bedeutung und Einfluss.
Wenn Regierungschefs von grossen
Ländern etwas zu einem Thema sagen, hat
das Wort per se schon mehr Gewicht als
solche kleinerer Länder. Für uns Freimaurer
beutet dies: je mehr Leute sich uns
anschliessen und sich zu unseren Grundsätzen
bekennen, desto mehr würden sich
unsere Werte von Brüderlichkeit, Toleranz
und Selbstveredelung verbreiten – und
unsere Gesellschaft wäre eine andere als
heute. In der Wirtschaft regiert bekanntlich
das Gesetz der Grösse – zumindest
meistens. Denn grosse Unternehmen
haben meistens auch Markt- resp. Preisführerschaft.
Man denke zum Beispiel an
Google oder IBM. Mit der Grösse nimmt
jedoch der Zusammenhalt ab, und Verschwendung,
Misswirtschaft und Misstrauen
nehmen zu. Zu nennen sind hier
beispielsweise die Bespitzelungsaffäre bei
der Deutschen Bahn, die Misswirtschaft
bei der UBS oder die grössenwahnsinnige
Selbstüberschätzung bei Porsche – allesamt
höchst unfreimaurerische Vorkommnisse.
Und doch gibt es für solche
Erscheinungen eine simple Erklärung: den
Wachstumszwang. Wer viel hat, der
trachtet nach mehr, und das Weniger verliert
an Bedeutung. Ein Verweis auf das
Lazarus-Gleichnis aus dem Lukas-Evangelium
(siehe gegenüber liegende Seite) bietet
sich an. Negative Folgen von Wachstum
beobachten wir auch in der Landwirtschaft:
Überdüngung und Bodenerosion.
Und schliesslich gilt das ökonomischmathematische
Gesetz des abnehmenden
Grenznutzens, was für uns Freimaurer
bedeuten könnte: je zahlreicher wir werden,
desto mehr Leute werden darunter
sein, die nicht zwingend das freimaurerische
Gedankengut teilen. Lasst uns also
vor allem als Mensch wachsen. Das ist
weit mehr!
Adrian Bayard
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