Zivilcourage – eine leere Worthülse?
(Alpina 11/2010)

Dass Zivilcourage ein zeitloses und ein immerfort aktuelles Thema ist, wussten wir bei der Festlegung der Studienthemen. Dass es mit der Bürgerbewegung in Stuttgart(gegen das geplante Bahnhofprojekt) derart an Aktualität gewinnt, ist zwar reiner Zufall, aber in der Natur des Themas nicht weiter erstaunlich. der Begriff Zivilcourage hat einen langen und Werdegang. Nachgewiesen wird der Begriff Zivilcourage erst relativ spät: erstmals 1835 in Frankreich als «courage civil» im Sinne von Mut des Einzelnen zum eigenen Urteil sowie zweitens «courage civique» als staatsbürgerlicher Mut. Dabei reichen die Wurzeln des Terminus recht weit zurück in die Zeit der griechischen Philosophen. Im Zuge der Tugenddiskussion der Tapferkeit bestand die Gefahr, dass der Begriff der Tapferkeit ausschliesslich auf die Kampfestugend des Soldaten reduziert würde (Historisches Wörterbuch der Philosophie). Bei Platon erscheint die Tapferkeit als eine der Kardinalstugenden neben Weisheit, Besonnenheit und Gerechtigkeit. Aristoteles beschreibt in der Nikomachischen Ethik die Zivilcourage indirect als «bürgerlichen Mut» , welcher der Tapferkeit am nächsten komme, weil «er seinen Beweggrund in der Tugend hat, in dem Ehrgefühl nämlich, indem Verlangen nach dem sittlich Schönen, der Ehre und in der Furcht vor etwas sittlich Hässlichem, der Schande». Heute wird unter Zivilcourage das Auftreten gegen die öffentliche Meinung verstanden, mit dem der Einzelne, ohne Rücksicht auf sich selbst, soziale Werte oder die Werte der Allgemeinheit vertritt, von denen er selbst überzeugt ist. Dabei ist es nicht von Bedeutung, welche Werte vertreten oder abgelehnt werden. Auch der persönliche, aufopfernde Einsatz für kollektiven, zivilen Ungehorsam der 68er-Bewegung gehört in diese Kategorie, auch wenn er die Grundfeste der Demokratie zu erschüttern droht. Selbst solche «gefährlichen» Aktionentragen–wenn sie ehrlich und im Sinne der zu bildenden Gesellschaft entstehen–tragenl zur Festigung und Entwicklung der Gesellschaftals ganzes und des Wertsystems im Besonderen bei. In vielen Städten Europas sind in den letzten Jahrzenten sogenannte Aktion Zivilcourage entstanden. Die Idee besteht darin, als Bestandteil der Zivilgesellschaft offen und entschlossen gegen Übergriffe auf gesellschaftliche Werte vorzugehen und diese möglichst bereits im Ansatz zu verhindern. Oder wie es die Stoiker nennen: «die wissende Fähigkeit, zu unterscheiden, was schlecht ist und was nicht».

Adrian Bayard 

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