«Von gutem Ruf» früher und heute
(Alpina 1/2013)
In unserem heutigen Rechtssystem kommen Kinder als freie Menschen zur Welt. Sie sind keine Leibeigene. Sie entwickeln sich auch mehr und mehr hin in Richtung selbständig denkender und selbständig handelnder Individuen. Das war nicht immer so: nehmen wir beispielsweise das beklemmende Thema der Verdingkinder oder aus heutiger Zeit das Thema des Menschenhandels und Zwangsprostitution. Die Kinder oder Frauen haben gar keine Chance, keine rationale Wahl. Sie sind fremdbestimmt. Aber auch Menschen, die nicht solch schlimmen Kräften ausgesetzt sind, können unfrei in ihrem Handeln sein. Menschen mit labilen Charaktereigenschaften oder Personen in materieller Not. Allein erziehende Mütter, die völlig auf sich selbst gestellt sind und nirgends Unterstützung erhalten - zumindest nicht solche, derer sie ebenso sehr bedürfen. Und zu letzt sind da noch jene Menschen, denen es relativ gut geht und denen nicht so wie den oben erwähnten Gruppen wesentliche Teile des sozialen Zusammenlebens fehlen, sondern einfach die Eigenschaft abhanden gekommen ist, selbständig zu handeln und eigenständig zu denken. Dies kann ursächlich auf Faulheit oder Ignoranz beruhen – dies wiederum ginge wohl in erheblichem Masse auf eine Konsumhaltung zurück, die sich alles aufbereiten und zudienen lässt oder eine Sättigung und Überreizung, sodass die Sinne erlahmen. Andererseits könnte der Ursprung auch in der Uniformierung und Boulvardisierung der Medien liegen. Eine vertiefte Aauseinandersetzung mit einem Thema - eine Hintergrundseite - wird nicht mehr gewünscht. Es ist nicht sexy. Ich denke, wir in der Freimaurerei müssen uns künftig vermehrt mit diesem letzten Punkt auseinandersetzen. Leute, die anklopfen, freie Männer sind, die aber nicht mehr fähig sind, eigenständig, das heisst, in anderen Mustern zu denken und handeln. Etymologisch geht das Wort Reputation auf das lateinische Wort «reputatio» (Erwägung, Berechnung) zurück. Vereinfacht gesagt hilft Reputation dabei, besser abschätzen zu können, wie sich jemand zukünftig verhalten wird. Diese Berechenbarkeit hat den Vorteil, dass Entscheidungen erleichtert und damit Aufwand eingespart werden kann. Eine wichtige Basis für solche Abschätzungen sind Vertrauen und Glaubwürdigkeit.
Adrian Bayard
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