Der Frieden
(Alpina 01/2016)
Ein japanischer Offizier harrte 1945
auf einer philippinischen Insel aus und
wähnte sich noch immer im Krieg. Erst
1974 überzeugte ihn sein ehemaliger
Kommandant, dass schon längst Frieden
war. Ähnlich, einfach unter anderem
Vorzeichen, mag es der Nachkriegsgeneration
gerade in der Schweiz ergehen.
Wir haben uns derart an den Frieden gewöhnt,
dass wir uns etwas anderes gar
nicht vorstellen können. Oder gar nicht
vorstellen wollen?
Tourismusorte wie Sharm el Sheik und
Paris geraten mit einem mal von «sun,
fun, and nothing to do» und «happy
shopping» in Ströme von Blut. Der
Schreibende war ein Jahr vor dem Massaker
im Bardo-Museum von Tunis. Das
geht unter die Haut. Doch kaum sind wir
nicht mehr direkt betroffen, kann sich
Gleichgültigkeit einstellen. Ob sich wenige
Flugstunden von uns entfernt, etwa
in Syrien, schlimmste Gräuel ereignen,
ist vielen egal. Man murrt vielleicht, weil
man die Ferien umbuchen muss.
Krieg wie Frieden sind Möglichkeiten
des Menschen. Wer nur die eine sieht, ist
auf einem Auge blind. Wie aber Frieden
schaffen und bewahren? Parolen nützen
ebenso wenig wie Aktivismus und Wegschauen.
Es braucht beide: Denker- und
Macherqualitäten. Der deutsche Soziologe
Max Weber sprach von zwei Arten von
Ethik. Die Gesinnungsethik misst ein Verhalten
an der zugrundeliegenden Werthaltung,
die Verantwortungsethik misst
es an den Resultaten. Da wären wir Freimaurer
gut positioniert. Die königliche
Kunst umfasst Reflexion und Handeln.
Viele Symbole und Rituale zeugen davon.
Es gilt, in unserem kleinen, aber massgeblichen
Wirkungsfeld zu agieren und
vom musivischen Pflaster auszugehen in
die Grauwerte der profanen Welt. Es gilt,
die Verhältnisse gut maurerisch ins Lot zu
bringen und Licht in sie hinein zu tragen.
Es geht um den Tempel der Humanität.
Thomas Müller
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