Woher die Freimaurerei kommt
Es war einmal in einer längst vergangenen Zeit, da bauten Dombaumeister wunderbare Kathedralen. Sie benutzten einfache Werkzeuge wie Hammer und Meissel, Winkel und Zirkel. Wie es im Mittelalter üblich war, schlossen sie sich in Zünften zusammen, die sie nach ihren Versammlungsräumen Bauhütten nannten oder in England Lodges und in Frankreich Logen. In diesen tauschten sie ihre Erfahrungen aus und gaben ihr Wissen über die Generationen weiter. Und sie nannten einander Brüder.
Vor allem in England wiesen ihre Debatten bald über die Baukunst hinaus: Sie machten sich Gedanken, wie das Leben der Menschen verbessert werden könnte. Dies zog gescheite Männer an, die keine Dombaumeister waren, und so wurden die Logen mehr und mehr zu Zentren des Nachdenkens darüber, wie eine bessere Welt gebaut werden kann. Und das Bauen von Domen verlor sich langsam im Nebel der Geschichte.
Am Anfang stand die Modernisierung der Gesellschaft
Wir sind jetzt im 18. Jahrhundert angelangt. Das damals große Österreich wurde von Maria Theresia und ihrem Sohn Joseph II. regiert. Nach dem Vorbild Englands entstanden erstmals auch in diesem Lande Logen. Manche ihrer Mitglieder waren Gelehrte, Künstler und Geistliche. Einige wurden zu Beratern der beiden Monarchen, so Joseph von Sonnenfels, der die Kaiserin von der Abschaffung der Folter überzeugte. Andere Brüder wie Wolfgang Amadeus Mozart schenkten der Welt unvergängliche Kunstwerke.
Nicht allen gefiel im Habsburgerstaat der befreiende Einfluss dieser ‚Freymäurer‘, wie sie nach den englischen ‚freemasons’ genannt wurden. Und so hat sie der Kaiser Franz in der obrigkeitshörigen Metternichzeit wieder verboten; so wie auch andere Gruppen, die es gewagt hatten, ihren Gedanken öffentlich freien Lauf zu lassen. In den demokratischeren Ländern Westeuropas und in Amerika konnten sie sich hingegen frei entwickeln.
Aber die Erde drehte sich weiter: Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstanden im Habsburgerreich von neuem Logen. Manches von dem, wofür sie sich noch hundert Jahre vorher eingesetzt hatten, war einigermaßen verwirklicht. Also widmeten sie sich nun den sozialen Problemen der auch hierzulande einsetzenden Industrialisierung: Sie führten Waisenhäuser und kümmerten sich um die Armen.
Doch das währte wieder nur wenige Jahrzehnte: Es kam das zwanzigste Jahrhundert mit seinen zwei furchtbaren Weltkriegen und den totalitären Diktaturen von Kommunismus, Faschismus und Nationalsozialismus. Auch diese mochten das freie und offene Denken der Freimaurer nicht und verboten sie neuerlich. In Österreich taten das die Nazis. Nur in den westlichen Demokratien konnten sich die Logen weiter entfalten.
Heute geht es um die Arbeit an sich selbst
Als die Nazis 1945 nach den Verheerungen des Zweiten Weltkriegs besiegt worden waren, mussten die österreichischen Freimaurer zum dritten Mal neu anfangen. Wieder wandelte sich das Land. Diesmal zum besseren: Das jetzt kleine Österreich wurde zum ersten Mal eine stabile Demokratie und ein Sozialstaat. Das veränderte auch den Auftrag der Freimaurer. Sie wirkten und wirken weiter karitativ; Armenspeisungen, Kinderheime und ähnliches hatten jedoch ihren Sinn eingebüßt. Und so verschob sich das bleibende freimaurerische Ziel, am Bau einer besseren Welt mitzuarbeiten, mehr und mehr in den persönlichen Lebenskreis jedes einzelnen Bruders. Ganz so wie es Erich Kästner in einem seiner Gedichte so wunderbar ausgedrückt hat: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“
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