Ich will versuchen, unsere Ziele zu skizzieren und einige Mittel zu nennen, mit denen wir diesen näher kommen können. Dabei muss ich betonen, dass meine Ausführungen nur meine ganz persönliche Auffassung wiedergeben. Wir haben keine offizielle Doktrin und auch unsere Rituale sind nicht in allen Logen gleich. Verbindend sind unsere Symbole, verbindlich aber nur die folgenden drei Bedingungen:

red_dot Der Glaube an ein höheres geistiges Prinzip, das wir den Allmächtigen Baumeister aller Welten nennen und das jeder nach seinem eigenen Verständnis als Jehova, Gott, Allah, das Dao oder wie auch immer respektieren, verehren und anbeten mag.

red_dot Der Grundsatz, dass wir nur reife Männer aufnehmen, die weder durch wirtschaftliche, noch durch politische oder gesellschaftliche Zwänge in ihrem Urteil, in ihrer Entscheidungs- oder Handlungsfreiheit über Gebühr eingeengt sind.

red_dot Das Prinzip der Toleranz, das für uns Dogmen jeglicher Art ausschliesst. Dieses Prinzip zu akzeptieren ist leicht; viel schwerer fällt es zu entscheiden, wie weit die Toleranz gehen darf und soll, denn der Intolerante legitimiert sich nur allzu oft mit höheren Interessen.

Wir sind nicht besser als andere, aber wir haben uns verpflichtet, uns mehr als andere anzustrengen, besser zu werden. Das persönliche Streben nach menschlicher Veredlung sehen wir als Voraussetzung und Beitrag zur Gestaltung einer besseren Welt. In der Terminologie der Freimaurer heisst das, dass wir selber brauchbare Bausteine für den Bau des grossen Tempels der Humanität werden sollen. Wir sehen uns selber symbolisch als rauhe Steine, an denen wir die Buckel der schlechten Gewohnheiten abschlagen und die Unebenheiten der Selbstsucht glätten sollen, denn nur ein sorgfältig behauener Baustein kann seine Funktion in der Mauer des Tempelbaus erfüllen.

Von Toleranz wird in unserer Zeit nicht nur bei den Freimaurern geredet. Jeder verlangt sie von den andern, aber selber sind wir nur selten dazu fähig und bereit. Wir sollen und wollen versuchen, Scheuklappen abzulegen, bereit sein, dazu zu lernen und auch unsere Überzeugungen umzustossen, wenn wir zu besserer Einsicht kommen; den Mut haben, klüger zu werden, andere Ansichten nicht als Bedrohung fürchten, sondern als Bereicherung unserer Kenntnisse willkommen heissen, um so die Basis für unsere eigene Weltsicht zu erweitern.

Niemand braucht uns zu sagen, was gut und böse ist; aber wir sollten es wohl überlegen und unsere Taten nicht erst im nachhinein reuevoll überprüfen.
pfeil

Als die drei Grossen Lichter, die unseren Lebensweg erleuchten sollen,
bezeichnen wir die Bibel, das Winkelmass und den Zirkel:

red_dot die Bibel, als Buch heiliger Gesetze, stellvertretend auch für andere Bücher der Weisheit;

red_dot das Winkelmass als Sinnbild der Gerechtigkeit und des rechten Handelns;

red_dot den Zirkel als Sinnbild der Güte, der die ganze Umwelt in seinen Kreis einschliesst, der aber auch den rechten Abstand misst und damit die Würde des Nächsten respektiert.

Die drei Kleinen Lichter, Weisheit, Stärke und Schönheit, sollen unser Handeln erleuchten: Weisheit leite es, Stärke verleihe ihm Wirkung und Schönheit soll es zieren.

Um unseren weit gesteckten Zielen näher zu kommen, bedienen wir uns der Rituale und erweitern unsere Kenntnisse in Vorträgen und Diskussionen.

Vorträge nennen wir Baurisse und zeigen damit, dass wir sie als Pläne für den Bau unseres Menschheitstempels verstehen wollen. Die Diskussionen aber sind praktische Übungen der Toleranz. Sie dienen dazu, Unverstandenes zu klären, falsch Verstandenes zu berichtigen und unsere Ansichten durch neue Einsichten zu überprüfen.

Die Rituale sind keine zeremoniellen Lehrveranstaltungen. Sie sind, wenn sie ihren Zweck erfüllen, wohl ausgewogene dramatische Dichtungen, die wir weniger mit kritischem Verstand anhören, als viel mehr mit allen Sinnen miterleben wollen. Sie sollen nichts definierbares erreichen, aber sie wirken als Ganzes durch das Zusammenspiel von Symbolen, Gedanken, Tönen, Beleuchtung, Musik, Sprache und Handlungen. Damit haben sie einiges gemeinsam mit Träumen, die im Unbewussten und in irrationaler Logik auf uns einwirken; und gemeinschaftliches Erleben eint die Brüder der Loge mehr als nur fröhliches Beisammensein, persönliche Sympathien oder verwandte Interessen.

Natürlich tun wir auch Gutes, denn wir sammeln ja Almosen, um Bedürftige zu beschenken. – Verzeihen Sie die leise Ironie! Ich will den Wert dieser Art von Wohltätigkeit nicht mindern oder gar lächerlich machen; aber sie trägt in sich die Gefahr einer blossen Alibi-Übung, die uns allzu leicht fällt und ohne echtes persönliches Opfer oder eigene Anstrengung im beruhigenden Glauben wiegt, wir hätten eine gute Tat getan und damit unsere Pflicht erfüllt. Es ist einfach, durch den Griff in den Geldbeutel ein Weniges von unserem Überfluss herzugeben; aber es wäre oft edler, weniger zu geben und dafür mehr zu tun. Menschlicher Beistand darf sich nicht darin erschöpfen, nur finanzielle Bedürfnisse zu befriedigen. pfeil

Echte Hilfe verlangt mehr:

red_dot Man muss seine Zeit und nicht nur Banknoten schenken.

red_dot Man muss zuhören und nicht nur gute Ratschläge geben.

red_dot Man muss sein Herz und nicht nur die Brieftasche öffnen.

Schweigen, verstehen und da sein, können manchmal viel mehr bedeuten, als eine noch so aufwendige Aktion organisierter Nächstenliebe; aber wir dürfen auch nicht zögern, dort wo es not tut, selber Hand anzulegen.

Vor allem aber gilt: Wer guter Tat sich rühmt, entwertet sie!

Die Basis unseres Wirkens sei die Heiterkeit der Seele. Wir finden sie in der Einsicht, dass wir das Unkraut der Selbstsucht zwar niemals ausrotten werden, aber dass darüber die Saat der uneigennützigen Mitmenschlichkeit aufgehen und Blüten und Früchte tragen kann.
pfeil

 

 

Der rauhe Stein
Winkelmass und Zirkel
Spitzhammer und 24zoelliger Massstab

 
 
 Was sind Freimaurer ?

Der rauhe Stein der Freimaurerei
pfeil
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