Alpina 11/2002
Alchemie lautet das Thema der November-Nummer unserer Zeitschrift
«Alpina». Beim Leser wird sich sofort die Frage aufdrängen, was Alchemie mit
der Freimaurerei zu tun hat. Ist sie eine Wurzel unserer Bruderschaft oder
hat sie überhaupt nichts mit der Freimaurerei zu tun? Diese Frage wird in
Bruderkreisen seit vielen Jahren diskutiert. Eine allgemein verbindliche
Antwort zu geben, fällt schwer. (Alchemie wird auch Alchimie oder Alchymie
geschrieben. Wir verwenden in diesem Heft nur die Form Alchemie).
Alchemie hiess ursprünglich die «Chemie im Allgemeinen», später wurde der
Begriff auf die Goldmacherkunst ganz allgemein angewendet.
In Ägypten war die Alchemie eine okkultistisch-mystische
Lehre, die auf den Gott Hermes Trismegistos zurückführt und daher auch
hermetische Kunst genannt wurde. Die Araber griffen vornehmlich die
praktischen Ergebnisse der Alchemie auf. In der Folge nahm die Alchemie, vor
allem unter dem Einfluss von Paracelsus, immer mehr einen spirituellen
Charakter an und ist in dieser Form eine eigenartige Mischung von Wissen und
Spekulation, Empirie und Phantasmagorie.
Im Zeitalter der Entstehung der ersten englischen
Grossloge waren alchemistische Einflüsse noch stark wirksam. Es kann daher
nicht verwundern, dass – namentlich bei der Entstehung der verschiedenen
Systeme – alchemistische Elemente in die Freimaurerei Eingang fanden. Die
Schottengrade stützten sich auf die Alchemie. Aber auch verschiedene
Hochgradsysteme haben Elemente der Alchemie in ihren Ritualen. Im
freimaurerischen Ritual und in der Symbolik sind alchemistische Elemente
auch heute noch nachweisbar. Von der Alchemie her ist auch die Anschauung in
die Freimaurerei übergegangen, dass die Natur nichts ist als die
Stoffwerdung der Gottheit. (Wolfstieg «Philosophie der Freimaurerei»). Die
bekannten Hochstapler des 18. Jahrhunderts, wie Gugomos, Rosa, Cagliostro,
auch Casanova und der Graf von St. Germain infizierten dort, wo sie mit der
Freimaurerei als Hilfsmittel operierten, auch die Freimaurerei mit
alchemistischen Vorstellungen.
Aus dieser Sicht ist es wohl begründet, sich in unserer
freimaurerischen Zeitschrift einmal etwas eingehender mit der Alchemie zu
beschäftigen. Auch wenn man dabei den Stein der Weisen nicht findet, so
sieht man doch eine neue Facette unseres Bruderbundes leuchten.
Alfred Messerli
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