Alpina 3/2003
Altruismus heisst das vorgegebene Thema der März- Nummer unserer
Zeitschrift. Ein schwieriges und abstraktes Thema, das Kopfzerbrechen
verursacht. Ist es überhaupt freimaurerisch? Gehört der Altruismus zum
freimaurerischen Gedankengut? Ich bezweifelte dies, als ich mich an die
Bearbeitung des Heftes wagte. Ich versuche, mich dem Thema von verschiedenen
Seiten zu nähern und mir möglichst unbefangen eine eigene Meinung zu bilden.Zunächst: Was ist Altruismus? Das Wort stammt vom Neulateinischen alter: der
Andere. Es bedeutet: Selbstverzicht zum Wohle anderer. Im Laufe der Zeit
erhielt der Terminus eine allgemeinere Bedeutung. In der Philosophie
bezeichnet er eine Handlungsmaxime, die auf die Förderung des Wohles anderer
gerichtet ist. In der Ethik bildet der Altruismus den Gegenpol zum Egoismus,
das heisst der Selbstbezogenheit. Die dem Egoismus entgegengesetzte Haltung
ist vielleicht eine verständlichere Definition: Aus eigenem Antrieb die
Interessen anderer wie seine eigenen Interessen zu verfolgen, nähert sich am
ehesten der freimaurerischen Auffassung von Ethik. Altruismus als sittlicher
Grundsatz wurde erstmals von Auguste Comte (1798- 1857) formuliert: «vivre
pour autrui», für den andern leben. Comte ist der Begründer der sogenannten
«positiven Philosophie». Ein zweiter Philosoph, der sich mit dem Altruismus
beschäftigte, war Spinoza. Wir finden in dieser Nummer ein Portrait von ihm,
das Walter Fatzer verfasst hat und das im Sammelband «Baurisse und Aufsätze»
der Loge Modestia cum Libertate in Zürich enthalten ist. Er bezeichnet
Spinoza als Maurer ohne Schurz. Der Grossosten der Niederlande liess bei der
Enthüllung des Gedenksteins auf dem Grabe Spinozas einen Kranz niederlegen,
als Huldigung für den Mann, der in so hohem Masse die Geistesfreiheit
gefördert und verteidigt hat. Die Basler Loge Osiris hat sich ebenfalls
Gedanken zum Altruismus gemacht. Sie ist zu bemerkenswerten Schlüssen
gelangt, die wir gerne abdrucken.
Und schliesslich passt die Überreichung des Jonas-Furrer- Preises an Beat
Schneider sehr gut zum Thema. Der Küsnachter Sekundarlehrer hat unter
grossem persönlichen Einsatz und grossen Opfern ein Hilfswerk in Guatemala
und Mexiko aufgebaut und so ein wunderbares Lebenswerk geschaffen.
Als Symbol für den Altruismus ist mir spontan der Pelikan eingefallen,
der der Sage nach sich mit dem Schnabel die Brust aufreisst, um mit dem
herausfliessenden Blut seine Jungen zu ernähren und selbst zu sterben.
Deshalb habe ich den Pelikan ausgewählt. Das hat nichts zu tun mit den
Hochgraden. Der Pelikan ist zwar ein Symbol des 18. Grades des AASR, des
Ritters vom Rosenkreuz. Für uns ist er das Sinnbild der Selbstaufopferung
für seine Nächsten. Wir finden deshalb den Pelikan recht häufig unter den
freimaurerischen Symbolen.
Alfred Messerli |