Alpina 12/2004

Die Bibel erlaubt als Sinnbild in der Freimaurerei mehrere Deutungen. Dem einen ist sie das heilige Buch seines Glaubens und die göttliche Offenbarung des Sittengesetzes, dem andern ist es die älteste Erziehungsurkunde der Menschheit zur Religiosität. Wieder einem andern ist es das Symbol der Gesetze der Humanität, jeden aber weist es hinaus über die materielle Welt ins Reich des Geistigen zu jener höheren Macht, die wir unter dem Namen des Allmächtigen Baumeisters aller Welten verehren, wobei die Freiheit des Gewissens, des Glaubens und des Denkens gewährleistet sind und jede aufrichtige Überzeugung respektiert wird.Hier sei auf die maurerischen Grundsätze der Schweizerischen Grossloge Alpina verwiesen. Im Artikel IV heisst es: «Der Freimaurer verehrt Gott unter dem Namen des Allmächtigen Baumeisters aller Welten. Welches auch seine Religion sei, ist es doch seine Pflicht, gegen den Träger anderer Glaubensbekenntnisse duldsam zu sein. Der Freimaurerbund ist daher kein religiöser oder kirchlicher Verein und verlangt von seinen Mitgliedern kein Glaubensbekenntnis». Und in Artikel V wird der Toleranzgedanken nochmals angesprochen: «Der Freimaurerbund huldigt dem Grundsatz der Gewissens-, Glaubens- und Geistesfreiheit und verwirft jeden Zwang, der diese Freiheiten bedroht. Er achtet jedes aufrichtige Bekenntnis und jede ehrliche Überzeugung und verwirft jede Verfolgung Andersdenkender».

Zwei Arbeiten befassen sich in dieser Nummer mit dem Verhältnis der Freimaurerei zur Bibel, die eine von der Loge Prometheus in Solothurn, die andere von der Loge Phönix in Thun.

Sehr gut passt dazu die Arbeit von Pfarrer Joachim Müller, dem Beauftragten der Katholischen Bischofskonferenz für «Neue Religiöse Bewegungen in der Schweiz». Auch wenn damit noch nicht alle Vorurteile seitens der Katholischen Kirche gegenüber der Freimaurerei ausgeräumt sind, spürt man doch eine etwas aufgeschlossenere Haltung gegenüber der Freimaurerei. Meiner Meinung nach ist es jedoch noch zu früh, um daraus eine Dialogbereitschaft der Katholischen Kirche abzuleiten. Anderseits müssen wir uns fragen, wollen wir überhaupt den Dialog aufnehmen oder schaffen wir uns damit nicht neue Probleme und richten wir nicht neue Mauern auf. Wir können ohne den Segen der Katholischen Kirche ganz gut leben. Und anderseits hat die Katholische Kirche andere dringendere Probleme als die Freimaurerei. Für sie hat die Freimaurerei viel von ihrem Schrecken verloren, natürlich einige wenige Eiferer ausgenommen, die nie müde werden immer wieder die alten Vorurteile und Feindbilder aufzubauen. Es wäre interessant, zu diesem Thema auch die Meinung unserer Brüder zu vernehmen.

Alfred Messerli   
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