Alpina 4/2004
Der Salomonische Tempel als Thema der April-Ausgabe unserer
Freimaurer-Zeitschrift weckt verschiedene Assoziationen. Für uns Freimaurer
ist der Salomonische Tempel ein Symbol, das im Ritual verankert ist. König
Salomon gilt in der Überlieferung der Steinmetzen als der grösste Bauherr
der Heiligen Schrift. Viele deutsche Dome haben ihn im Bildschmuck verewigt.
Sein magischer Siegelring, auf dem sich das Sechseck befand, spielt in
der Kabbala und im Talmud ebenso eine Rolle, wie in der
Rosenkreuzerüberlieferung und bei den Alchemisten. Durch seine Verknüpfung mit der Bausage der Freimaurer ist er in deren
Gestaltenschatz eingegangen. Sein Tempel wird gebaut, wenn sich der
Freimaurer dem Werk der Humanität zuwendet, Salomon ist das Sinnbild der
strafenden und vollziehenden Gerechtigkeit, er ist der Beschützer der
Baukunst im Dienst der göttlichen Verehrung. In der Johannismaurerei
erscheint Salomon als Person nur episodenhaft. Er wird im Zusammenhang mit
der Bausage (im dritten Grad) genannt. Umso grösser ist seine Bedeutung in
der Ausschmückung der Bausage bei den Hochgraden, wo er im Alten und
Angenommenen Schottischen Ritus verschiedentlich sogar im Ritual (der
Zwischengrade) als handelnde Person auftritt.
Zum Freimaurer Tempel: Erich Hochreutener hat sich eingehend mit der
Frage befasst, weshalb wir Freimaurer einen Tempel brauchen. Für ihn geht
der Freimaurer-Tempel auf eine innere Belehrung aus, die miterlebt werden
will. Damit ist für ihn der Tempel eine Herausforderung an den Menschen im
Sinne einer Gedanken- und Verhaltensschule. Den Tempel muss man erlebt
haben. Hochreutener kommt zu folgenden Feststellungen: «Die Aufgabe des
Freimaurerischen Tempels ist es, die Mitglieder auf erreichbare Ziele
hinzulenken. So werden wir denn aus eigener Überzeugung versuchen – wie es
das Schwert symbolhaft andeutet –, durch Trennung von Schein und
Wirklichkeit nicht die eigenwillige Person, sondern das ursprünglich
Wesenhafte in uns wachsen zu lassen. Es steht uns frei, aus uns selbst eine
Kammer des stillen Nachdenkens zu machen und intuitiv auf die Erkenntnisse
zu hören, welche das Tempel-Ritual mit leiser Stimme anzubieten hat. Wem es
gelingt, nicht nur mit den Füssen, vielmehr mit der Seele ein paar Schritte
zu tun, wird sich kaum mehr fragen, warum wir Freimaurer einen Tempel
brauchen».
Alfred Messerli |