Alpina 5/2004

Freiheit – Gleichheit – Brüderlichkeit ist seit der grossen Revolution die Devise des französischen Volkes. Diese Devise wurde zuerst in französischen Freimaurerlogen des 18. Jahrhunderts ausgesprochen und hat auch heute im Ritual der französischen Freimaurerei ihren Platz. Diese Devise ist auch das Thema der Mainummer unserer Zeitschrift.

Freiheit und Gleichheit als Parolen der Französischen Revolution waren früh schon ausgeformt, als Drittes folgte zunächst zaghaft Bruderliebe, aus der sich dann etwas später «Brüderlichkeit» entwickelte. An vielen öffentlichen Gebäuden in Frankreich mahnt uns «Liberté, Egalité Fraternité» an diese Postulate der Revolution.Die Brüderlichkeit gehört auch zum festen Brauchtum der Freimaurerei. Man denke an die recht politische Einstellung einer ganzen Reihe von Freimaurerlogen in Frankreich. In eben diesen Logen wurden die aufklärerischen Gedanken diskutiert. Während der Periode der «Parlamentarischen Freimaurerei in Versailles 1789» wurden die meisten Beschlüsse und Deklarationen, die im Parlament auf der Tagungsliste standen, zuerst in den Logen und Klubs diskutiert und formuliert.

Die Freiheit bedeutet der Freimaurerei sehr viel. Für einen Lichtsuchenden wird in den Alten Pflichten verlangt, dass es «ein freier Mann» von gutem Ruf sei. Für die Freimaurerei ist die Willensfreiheit die Autonomie des sittlichen Gesetzes. Die Freimaurerei glaubt daran, dass der Mensch seine sozial schädlichen Neigungen ändern kann. «Die Freiheit richtig anzusehen, ist die wichtigste Aufgabe des Maurers».

Die Gleichheit ist ein wichtiger Bestandteil der freimaurerischen Philosophie. In der Loge sind alle Brüder gleich, das profane Leben setzt seine Unterschiede. Die Loge verwischt bei der Arbeit die Rangunterschiede und will für die Zeit der Vereinigung alle Brüder auf derselben Waagrechten versammelt haben. Im englischen kommt dies in der Redewendung «to meet upon the level», das heisst, einander auf gleicher Ebene begegnen. Die Brüderlichkeit hatte es schwerer, sich in der Freimaurerei durchzusetzen. Zum Zeichen innigster Verbundenheit nennen die Freimaurer einander Bruder und ihre Gemeinschaft einen Bruderbund. In den meistern Ritualen wird daher der Neuaufzunehmende zuerst mit seinem bürgerlichen Namen aufgerufen, nach Ablegung des Gelübdes jedoch als Bruder angesprochen. Auf den Namen «Bruder» gründet auch die im Bunde herrschende Bruderliebe. In der gegenseitigen Bezeichnung als «Bruder» ist ein gesteigertes Entgegenkommen in allen Lebenslagen, Verständnis für Charaktereigenschaften und wohlwollendes Sichhineindenken in die Seele eines andern Menschen enthalten.

Alfred Messerli   
<< Heft 4/2004 Index Heft 6-7/2004 >>
Alpina