Alpina 11/2005

Xenophobie: Was ist das? Das Wort stammt aus dem Griechischen und bedeutet Fremdenfurcht oder Fremdenhass. Ist das ein Thema, über das sich lohnt zu diskutieren und darüber nachzudenken. Die Freimaurerei ist universell. Sie will Brüder auf der ganzen Erdenrunde vereinigen. Dabei ist doch kein Platz für Xenophobie. Oder doch? Schauen wir beispielsweise nach Amerika. War die amerikanische Freimaurerei zur Zeit der Unabhängigkeitserklärung (1776) ein einigendes Band zwischen Menschen der verschiedensten Herkunft und Religion, verstreut über 13 Kolonien mit verschiedenem Status, so entwickelte sich bald eine häretische Eigenart, nämlich die strikte Ablehnung der Aufnahme von Farbigen in die «weissen» Logen. Deshalb gründete 1791 Prince Hall – ein freigelassener Afroamerikaner aus Barbados – zusammen mit 13 andern Afroamerikanern, die 1775 regulär in einer englischen Militärloge aufgenommen worden waren, in Boston eine Loge. Diese erhielt 1787 als «African Lodge Nr. 459» ein Patent von der Grossloge in London. Nach vier Jahren erklärte sie sich zur Mutterloge und begann selbst Logen zu gründen. Die weltweite Kette der Prince-Hall-Freimaurerei vereinigt heute bereits 4500 Logen in 45 unabhängigen Jurisdiktionen mit insgesamt über 300'000 farbigen Brüdern. Bis heute haben aber erst 14 «weisse» US-Grosslogen ihre schwarzen Brüder anerkannt. 17 «weisse» US-Grosslogen verweigern die Anerkennung hartnäckig. Ein ganz klarer Fall von Rassendiskriminierung, der in der Freimaurerei als schmerzlich empfunden wird und unverständlich bleibt. In den Alten Pflichten von Anderson hat es dafür keinen Platz.

Ein anderes Beispiel: Die deutsche Freimaurerei war vom 18. bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts in ihrer Einstellung weitgehend formalistisch, überwiegend nationalistisch und die drei altpreussischen Grosslogen waren ausgesprochen antisemitisch. Jüdische Kandidaten wurden aber auch von vielen humanitären Logen abgelehnt. Nach dem Ersten Weltkrieg verschärfte sich die Situation noch. Als Reaktion auf den verlorenen Krieg und die Erniedrigung durch die Siegermächte entstand ein nationaler Radikalismus, auch bei Freimaurern, der alle internationalen Bindungen und sogar alle Friedensbemühungen und Versöhnungsbestrebungen ablehnte. Viele Logen schlossen jüdische Brüder aus, um zu beweisen, dass sie den Nationalsozialisten als Gesprächspartner zur Verfügung stehen. Das bewahrte die Freimaurerei jedoch nicht vom Verbot, von der Enteignung und der Verfolgung einzelner Brüder durch die Nazis. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg, nachdem die Gräuel am jüdischen Volk bekannt geworden sind, hat auch bei den deutschen Freimaurern ein Umdenken eingesetzt. Antisemitismus ist heute kein Thema mehr.

Warum ich gerade diese beiden Themen hier ausbreite. Ich möchte damit betonen, dass auch die Freimaurer sich mit dem Problem auseinander setzen müssen. Es genügt nicht, mit Hinweis auf die weltumspannende Bruderkette und die Universalität der Freimaurerei, sich auf die eigene Brust zu klopfen und zu betonen, dass die Freimaurerei mit ihrem Toleranzgedanken weit über jedem Fremdenhass stehe. Darüber nachzudenken lohnt sich.

Alfred Messerli   
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