Freimaurerei und Philosophie
(Alpina 2/2011)

Ist die Freimaurerei eine Philosophie? Oder gibt es lediglich Ähnlichkeiten, Gemeinsamkeiten und Anknüpfungspunkte? Prima vista würden wir wohl sagen: Nein! Wir sind nicht und praktizieren nicht Wissenschaft. Die Freimaurerei hat keine Axiome, Funktionen, Variablen und Parameter wie beispielsweise die Mathematik. Auch unsere Zeichnungen handeln doch selten von philosophischen Themen – oder doch? Was ist eigentlich Philosophie? Im engen Sinne des Wortes ist damit die Liebe zum Wissen und zur Weisheit gemeint. Wer also philosophiert, bildet sich weiter – Stück für Stück, Stein um Stein. Systematisch gehen Philosophen vor, wenn sie versuchen, zu einem bestimmten Problemfeld Standpunkte auszuarbeiten und zu verteidigen, Fragen innerhalb der verschiedenen Disziplinen zu beantworten oder die offenen, beziehungsweise unausgesprochenen Voraussetzungen einer bestimmten Frage oder Behauptung zu analysieren; oder wenn sie sich darum bemühen, die in bestimmten Fragen, Thesen oder Positionen verwendeten Begriffe zu klären. Lautet die Frage etwa: «Hat der Mensch einen freien Willen?», so müssen für eine Antwort zunächst die Begriffe «Willen», «Freiheit» und «Mensch»–vielleicht sogar die Bedeutung von «haben» – einer genauen Bedeutungsanalyse unterzogen werden (www.de.wikipedia.com). Klingt da bei euch etwa der eine oder andere Bauriss an? Zum Philosophieren gehört ferner seit der Antike auch das Diskutieren, also der Austausch von Wissen sowie die Dialektik, also die Kunst der Gegenrede. Dies ist insofern von zentraler Bedeutung, weil nur so–aber in Liebe und gegenseitigem Respekt – die Wahrheit zum Vorschein kommen kann. Insofern ist die Freimaurerei ein Bund philosophierender freier Männer. Nebst der Logik gehört auch die Ethik zur Philosophie: und was liegt uns näher als unser Handeln auf das rechte und gerechte (sprich: moralische)Mass um uns herum auszurichten? Fernerseifestzuhalten,dassdiePhilosophieeineuniverselleWeisheitist– genauso wie der Zirkel um uns herum eine unendliche Bahn zieht. Und schliesslich führt auch die Liebe zur Weisheit unseren Spitzhammer bei der Bearbeitung des Rauhen Steines. Nur eines dürfen wir nie vergessen: «Das Staunen ist die Einstellung eines Mannes, der die Weisheit wahrhaft liebt, ja es gibt keinen anderen Anfang der Philosophie als diesen» (Platon).

Adrian Bayard 

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