Die Genügsamkeit
(Alpina 3/2011)
Leider scheint der Begriff der Genügsamkeit
ein Anachronismus zu werden. Wir
sind umgeben von einer Überfülle an Konsummöglichkeiten–
der Markt und das Marketing
machen es möglich. Wir werden verführt,
uns wir gesagt, dass dies oder jenes für
uns gut sei «weil Sie es sich wert sind», und
unter all den Verlockungen verlieren wir langsam
die Urteilskraft, über das, was wir brauchen und was wir nicht brauchen.
Die buddhistische
Ökonomie unterscheidet indes zwischen
Konsum für das Überleben (Grundbedürfnisse wie Nahrung) und dem Konsum,der
darüber hinaus geht. Jenseits dieser Grenze
liegt die Gier. Man möge sich die aktuelle Diskussion um Managerlöhne
und die Verschuldung vieler Staaten vergegenwärtigen –
mehr
muss an dieser Stelle wohl nicht ausgeführt
werden. Allen Beispielen ist gemein, dass die
Linie zum «genug» überschritten wurde und
auf nichts verzichtet wird. Dabei gäbe es drei
Übungen, die uns als Freimaurer nur allzu gut
bekannt sind: Achtsamkeit, Demut und Liebe
oder wie es Laotse formulierte: «Ich habe drei
Schätze, die ich hüte und hege. Der eine ist die Liebe, der zweite ist die Genügsamkeit, der
dritte ist die Demut». (Dao-de-dsching, Kapitel
67).Wichtig in allem ist, dass der Einzelne
sich nicht überschätzt und zu wichtig
nimmt – Eingliederung in eine Kette anstatt
Überordnung. Ein wichtiges Symbol für
Genügsamkeit in unseren Ritualen ist der
Hammer (franz.: maillet). Er leitet das Ritual
und sorgt für Ordnung – man könnte auch
Unterordnung sagen. Dadurch werden alle
gleich unwichtig und demütig.
Zwei wichtige Gefahren liegen aber in diesem
Begriff: Erstens darf man Unterordnung nicht
mit Unterwürfigkeit verwechseln; sich in
etwas eingliedern bedeutet noch lange nicht,
sich aufzugeben – im Gegenteil. Die Kette
wird umso stärker, je mehr sich die einzelnen
Menschen mit ihren Eignungen und Neigungen einbringen und das Kollektiv uneigennützig
bereichern. Die zweite Gefahr der Genügsamkeit
besteht darin, dass man sich selber zu
schnell genügt; dass man sich also allzu
schnell zufrieden gibt und Möglichkeiten
unausgenützt verstreichen lässt. Dies wiederum
wäre reine Verschwendung und eine
Beleidigung für die Schöpfung auf dieser
Welt. Insofern müssen wir das rechte Mass im
Umgang mit uns selbst finden.
Adrian Bayard
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