Architektur und Freimaurerei
(Alpina 6-7/2011)
Als ich mich neulich daran machte, eine Hütte für
meine Kinder zu bauen, ahnte ich noch nicht, dass
dies etwas mit dem Studienthema dieser Alpina-Nummer
zu tun haben könnte. Ich zeichnete einen Entwurf,
sägte Bretter auf die richtige Länge zurecht,
zimmerte, hämmerte, bohrte, schraubte und überlegte
mir – einen Schritt zurücktretend und aus einer
gewissen Distanz das entstehende Werk prüfend – ob
dieses zugegebenermassen etwas seltsame Gebilde wohl
seinen Zweck erfüllen würde. Ich mass eine
Aussparung für ein Fenster ein und stellte mir vor,
dass es mit kleinen Stoffvorhängen dann schon nach
so etwas wie einem Fenster aussehen würde– Kinder
haben ja Gott sein Dank eine reiche Fantasie! Aber
was hat das mit diesem Studienthema zu tun?
Aristoteles verstand unter Architektur (genauer
eigentlich unter Architektonik) die Kunst der
Bearbeitung eines Stoffes zur Herstellung einer
brauchbaren Sache (historisches Wörterbuch der
Philosophie). Architektur ist somit die
Auseinandersetzung mit dem vom Menschen geschaffenen
Raum und insbesondere der Wechselbeziehung zwischen
Mensch, Raum und Zeit. Dabei kann man darunter
verschiedene Aspekte subsummieren: einerseits die
Kunst des Erschaffens, Gestaltens und Formens von
Körpern sowie des Betrachtens solcher Arbeiten.
Insofern kann Architektur retrospektiv-kontemplativ
oder schöpferisch- kreativ sein. Sie verbindet das
technische Wissen mit dem künstlerischen.
Architektur ist gemäss Leon Battista Alberti (1452)
«Harmonie und Einklang aller Teile, die so erreicht
wird, dass nichts weggenommen, zugefügt oder
verändert werden könnte, ohne das Ganze zu
zerstören» (gefunden in
de.wikipedia.com).Architektur geht etymologisch auf
das zweiteilige griechische Wort αρχιτέκτων [architékton]
zurück und bedeutet in seiner Auslegung soviel wie
«oberster Baumeister» (aller Welten?). Bei Leibniz
wird Gott als Architekt des Weltalls bezeichnet, den
die Menschen bei der Gestaltung nachahmen. Wenn wir
um uns schauen, dann verstehen wir unter Architektur
die Kunst, sämtliche über die Zeiten gewonnenen
Erkenntnisse zu einem nützlichen Ganzen
zusammenzuführen – dem Tempel der Humanität. Somit
ist Architektur nicht Mittel zum Zweck sondern eine
normative Grundeinstellung eines Meisters.
Adrian Bayard
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