Lohn in der Freimaurerei
(Alpina 3/2013)

Neulich, als ich nachts nach Hause ging, fiel mir plötzlich auf, wie herrlich sich der Sternenhimmel über mir ausbreitete – fast wie ein Pfau, der um Aufmerksamkeit zu buhlen scheint – oder als Drohgebärde mahnen will: Geh weg, Mensch! Du bist zu eitel. Mir fiel auf, dass mir dies sonst nie auffällt. Warum bloss? Sind wir alle so stark im Gewühle des Alltags eingebunden, dass wir aus dem Alltäglichen, das Aussergewöhnliche nicht mehr erkennen? Oder nehmen wir uns einfach zu wichtig? Homozentral? Die Nacht ist dunkel, nur die Strassenlaterne leuchtet mir den Weg. Wer auch immer die eingeschaltet hat; ich bin ihm dankbar, denn so erkenne ich rutschige, eisige Passagen. Der Sternenhimmel inspiriert mich; mir kommt in den Sinn, dass ich ja noch ein Editorial zu schreiben habe. Über Lohn. Mein Lohn, der schon wieder zu spät überwiesen wurde. Und schon wieder viel zu bescheiden ausgefallen ist zu dem, was ich eigentlich verdient hätte! Blöd nur, dass ich mein eigener Arbeit- und Lohngeber bin. Danke! Das ist der Lohn dafür, dass ich selbständig bin; dass ich ein Geschäftsrisiko eingehe, was andere nicht tun und erst noch mehr Lohn erhalten – auch wenn sie es (in meinen Augen gar nicht verdienen). Ist diese Sichtweise Ausfluss von Neid? Gibt es einen universellen Lohn? Nein, nicht nur die Frauen können dies aus voller Kraft bezeugen! Lohn ist nicht nur subjektiv, sondern auch vielfältig und unterschiedlich. Was ist beispielsweise der Lohn für die Edition dieser Alpina-Nummer? Was erhalte ich als Gegenzug zu den stundenlangen Zwiegesprächen (manchmal gar Handlungen) mit meinem Computer? Was habe ich von all den unzähligen Stunden, wenn die finale Stunde läutet? Was nützt mir das alles? Andererseits: was nützt es, Kinder zu haben? Ich glaube, es ist nicht nur die Arbeit, die einen belohnt, auch nicht Zuspruch oder gar Ansehen, sondern viel grundlegender: Entbehrung! In der Entbehrung liegt der Lohn des Alltäglichen; die Tatsache, dass ein marginales Plus stets grosse Freude bewirkt und immerfort verzaubert – nie abstumpft. Genauso wie dieser wunderbare Sternenhimmel – oder die Tatsache, dass ein Gemeindearbeiter im Rahmen seiner Arbeit nicht vergass, die Strassenlaterne anzumachen. Dafür gebührt ihm Dank - und das ist auch der Lohn: ein simples, kleines Dankeschön.

Adrian Bayard 

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