Ursprünge der freimaurerischen Traditionen
(Alpina 4/2013)

Auch wenn wir von der Redaktion der Alpina uns für die Wahl der Studienthemen verantwortlich zeichnen, so beschert mir das Wort «Tradition» ein unglaublich beklemmendes Gefühl von statischen, unreflektierten Verhaltens- und Glaubensweisen. Es ist einerseits gerade für eine so alte Bruderschaft wie der unseren eine conditio sine qua non, weil all die Rituale erst ihre Wirkung entfalten können, wenn eben eine gewisse Unveränderbarkeit und Vorhersehbarkeit existiert - so kann der einzelne Bruder sich voll auf die Tiefen und momentan erlebbaren Nuancen und Stimmungen einlassen. Aber anderereits besteht die grosse Gefahr, dass aus dieser Tradition im Sinne von tradere (überliefern) eine Religion im Sinne von religare (zurückbinden) wird, die im Kern der Bedeutung nicht die Weitergabe sondern das Bewahren hat. Dies wiederum birgt die Gefahr, dass die Regeln, die bewahrt werden, immer weiter weg von der Wirklichkeit stehen und deshalb von dieser Gesellschaft immer weniger Beachtung finden, sodass eine Auseinandersetzung immer schwieriger wird. Mit einer Tradition haben wir aber genau die unabdingbare Verpflichtung, diese Regeln halt- und erlebbar zu machen für die folgenden Generationen. Und dies verlangt in einigen Teilen das Ablegen einiger Mäntel, wenngleich die Unterhosen anbehalten werden können. Wir verraten die Werte unserer Bruderschaft nicht, wenn wir vielleicht mal in die Strassen der Welt schauen und uns überlegen, was es denn eigentlich heisst: am Tempel der Humanität zu arbeiten. Hören wir auf, immer nur esoterisch und philosophisch uns zu erklären! Tun wir etwas; seien wir mutig und lassen Sonnenlicht in unsere düsteren Stuben! Es dürfte ruhig auch einmal gelächelt werden, denn dies ist ein ganz wichtiger Bestandteil des humanen, will heissen: (zwischen)menschlichen Zusammenlebens. Für mich ist Tradition das Werkzeug, das über all die Jahrhunderte perfektioniert wurde und nun kaum mehr verbessert werden kann. Aber mit eben diesem Werkzeug können wir immer wieder etwas Neues schaffen. Wir können sogar –wie das Beispiel des Heliographen von der Titelseite zeigt – die Welt immer wieder neu entdecken, obschon sie so ist wie wir denken, dass sie sei. Auch ist dieser Heliograph Sinnbild dafür, dass das selbe auch verkehrt immer noch das gleiche ausdrückt – nicht beliebig, sondern als Frage der Anwendung und Betrachtungsweise.

Adrian Bayard 

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