Alpina 10/2000
Das Titelbild zeigt den "Pythagoras", das Zeichen des Alt-Stuhlmeisters.
Zahlreiche Logen auf der ganzen Welt haben Pythagoras in ihrem Namen.
Weshalb diese Verehrung des Universalgelehrten der Antike durch die
Freimaurer? Wir versuchen dieser Frage in der vorliegenden Ausgabe
nachzugehen, ohne uns jedoch der Illusion hinzugeben, dass wir
allgemeingültige Feststellungen machen könnten. Das Thema ist einfach zu
umfangreich, um es in einer einzigen "Alpina"-Nummer abhandeln zu können.
Wir können lediglich Denkanstösse geben und so den einen oder anderen Bruder
anregen, sich selbst in das Thema zu vertiefen. Wer war Pythagoras? Vermutlich auf
der jonischen Insel Samos um 570 vor Christus geboren, genoss er eine
vorzügliche Ausbildung durch die besten Lehrer seiner Zeit. Wenn man die
Frage beantworten müsste, was er der Menschheit hinterlassen hat, dann
müsste man feststellen, dass seine Lehre bis in unsere Zeit nachwirkt. Man
sagt, dass durch die Pythagoräer das rational-begriffliche Denken in das
bisher irrational-mystische Weltbild eingeführt wurde. Pythagoras war
eigentlich Priester, Philosoph, Politiker und Naturwissenschaftler. Als
Naturwissenschaftler war er Mathematiker, Astronom und Arzt. Im
sogenannten Cooke-Manuskript (ca. 1400) ist eine Legende überliefert, die
100 Jahre nach Christi Geburt entstanden ist. "Lamech lebte, bevor die Flut
kam. Sein Sohn Jabal entdeckte die Geometrie und die Baukunst, sein Sohn
Jubal die Musik und sein Sohn Tubal Cain das Schmiedehandwerk und seine
Tochter Naemah die Weberei. Sie wussten, dass Gott Rechenschaft für ihre
Sünden fordern würde – entweder durch Feuer oder durch Wasser. Um ihre
Wissenschaft (die sieben freien Künste) für die Nachwelt zu bewahren,
schufen sie zwei Säulen, eine aus gebranntem Ziegelstein, sie sollte nicht
verbrennen, und eine aus Marmor, der das Wasser nichts anhaben konnte. Auf
die Säulen schrieben sie ihre Erkenntnisse. Viele Jahre nach der Sintflut
wurden die Säulen wiederentdeckt; eine fand Pythagoras, die andere Hermes.
Beide lehrten die Menschheit das Wissen, welches sie auf den Säulen gefunden
hatten." Diese Legende ist eine wunderbare Deutung unserer beiden Säulen "J"
und "B" im Tempel, die wir für gewöhnlich auf die Bibelstelle im ersten Buch
der Könige, Kapitel 7, zurückführen. Auf der nebenliegenden Seite zeigen wir
Hermes mit den beiden Säulen inmitten der Symbole von Weisheit und Macht.
In der Schweiz finden wir eine Loge mit dem Namen Pythagoras im Orient
von Renens (Pythagore, N° 69). Auf der ganzen Welt jedoch gibt es weit über
hundert Logen, die sich auf Pythagoras berufen. Auf die Frage, weshalb dies
so ist, versucht diese Nummer der "Alpina" eine Antwort zu geben.
Alfred Messerli
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