Das freimaurerische Gelübde
(Alpina 3/2008)
Das Gelübde – mehr als eine Floskel. In der
vorliegenden Nummer unserer Zeitschrift Alpina steht
das freimaurerische Gelübde zur Diskussion. Wir
haben es mit dem Zusatz versehen, «mehr als eine
Floskel», wobei wir uns darüber unterhalten haben,
ob der Zusatz nicht mit einem Fragezeichen versehen
werden sollte. Wir haben das Fragezeichen
weggelassen, um zu betonen, dass das Gelübde ernst
zu nehmen ist und nicht einfach wie eine Floskel
abgetan werden kann.
Dabei berufen sich alle Freimaurer auf die
Konstitutionen von 1723 die damals schon allen
operativen Maurern gebräuchlich waren.Vor allem das
Versprechen, die Gebräuche und Rituale der
Freimaurerei, die Verhandlungen während den
Logensitzungen und die Namen der Brüder geheim zu
halten, spielten in jener Zeit eine ganz andere
Rolle als heute. Die Bauleute wollten ihr geheimes
Wissen, ihre Berechnungen und ihr von Generation zu
Generation mündlich überliefertes Know-how für sich
behalten und nicht an Aussenstehende weitergeben.
Heute, im Zeitalter des Internet, sind diese
Geheimnisse weitgehend bekannt und praktisch jedem
zugänglich, der einen PC handhaben kann. Aber auch
eine riesengrosse Literatur mit gegen 200’000
verschiedenen Büchern über die Freimaurerei steht
zur Verfügung. Wir sehen, die ehemaligen wirklichen
Geheimnisse haben ihren geheimen Charakter in der
heutigen Zeit verloren. Rituale und Symbole sind
nichts Geheimes mehr.
Bruder Jacques Laager bearbeitet in einem
fundierten Artikel die ganze Problematik. Um es
vorweg zu nehmen: Um einen Verrat freimaurerischer
Geheimnisse schlechthin, das heisst des in der Seele
eines Bruders erfahrenen persönlichen Erlebnisses,
kann es sich nicht handeln. Denn dieses Erlebnis
kann man nicht mitteilen. Es ist das persönliche
Erlebnis bei der Aufnahme, oder bei der Beförderung
oder Erhebung. Das kann man nicht in Worte fassen
und nicht einfach ausplaudern.
Geheim zu bleiben haben auch heutzutage – und in
Zeiten des Datenschutzes wohl noch mehr als früher –
Einzelheiten aus dem Logengeschehen und die Namen
der Logenmitglieder (wobei sich der einzelne Bruder
persönlich zu seiner Logenmitgliedschaft bekennen
darf). Jede andere Art von Geheimhaltung, ja von
Geheimniskrämerei, dürfte sich aber heutzutage als
kontraproduktiv erweisen.
Franz Carl Endres hat geschrieben, dass das
grosse Geheimnis der Freimaurerei von den drei
Säulen Weisheit, Kraft und Schönheit getragen werde.
Weisheit gibt Lebensrichtung, Kraft ist zur Tat
gewordener Wille zum Guten, Schönheit ziert den
Lebensbau des kraftvoll Weisen mit Harmonie und
Freude. Es scheint sehr einfach zu sein, dieses
grosse Geheimnis der Freimaurerei. Es scheint nur
so. In Wirklichkeit ist die «Königliche Kunst» so
schwer, dass noch kein Meister als Meister gestorben
ist. Das tatkräftige Sichversenken in das Geheimnis
erfordert die unausgesetzte Arbeit eines ganzen
Lebens. Es erfordert Opfer, Mut und
Entschlossenheit!
Alfred Messerli
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