Was ist und will die Freimaurerei?

5. Mit welchen Mitteln wird gearbeitet?

Um ihre Ziele zu verfolgen, bedient sich die Freimaurerei mehrerer Instrumente. Wir können sie grob in drei Grup­pen glie­dern: 1. in Grundprinzipien und Kardinaltu­genden, 2. in Symbole, Rituale und Grade, 3. in praktische Verpflich­tungen.

a) Grundprinzipien und Kardinaltugenden

Diese lassen sich zusammenfassen in den Begriffen der Humani­tät, Toleranz und des Kosmopolitismus. Die Humanität fordert das Bekenntnis zum Mit­menschen, zur gegenseitigen Anteilnahme und Mitverantwor­tung im Dienste der Gemeinschaft, zu Hilfsbe­reitschaft, Wohltätig­keit, kurz zu aktiver Nächstenliebe aus der klaren Erkenntnis heraus, dass wir alle zusammengehören, weltweit eine Schick­salsgemeinschaft darstellen, Teile eines grossen Ganzen sind. Freimaurerische Toleranz entspringt der Ein­sicht, dass niemand die absolute Wahrheit besitzt und dass wir deshalb jedem auch dann mit Achtung, Verständnis und Duldsamkeit begegnen sollen, mit dessen Ansichten wir nicht einig gehen. Ein solches Toleranzverständnis setzt voraus, dass wir gegeben-enfalls bereit sind, eigene Vorurteile und Irrtümer einzusehen und aufzugeben. Mit dem Kosmopoli­tismus schliesslich unter­streicht die Freimau­rerei den weltumspan­nenden Charakter ihrer Ideale und die Notwendigkeit, allen äusseren Schranken zum Trotz zum Kern unserer Mitmenschen und des in ihnen wirkenden A.B.A.W. v­orzudringen. Das bedingt, dass wir uns mit dem Andersartigen beschäftigen, ihn verstehen lernen, mehr das Gemeinsame als das Trennende suchen, ihn als Ganzes annehmen.

Während seiner Logenlaufbahn wird der Freimaurer vor allem mit drei Kardinaltugenden vertraut gemacht: mit der Justitia, Moderatio und Sapientia - zu Deutsch mit der Ge­rech­tigkeit, Mässigung und Weisheit. Die Logenrituale fordern dazu auf, über die Natur von Recht und Gerechtigkeit nachzu­den­ken, nach den in uns schlummernden göttli­chen Gesetzen zu forschen und unser Denken, Urteilen und Handeln an ihnen zu üben. Die Tugend des zweiten Grades, die Mässigung, ­wird dem Freimau­rer-Gesellen ans Herz gelegt, eingedenk, dass einer­seits Masslosigkeit früher oder später in die Irre führt und ander­seits kluges Masshalten nicht nur Entbehrungen nach sich zieht, sondern auch Gewinn in Form von neuen Erfahrungen, Einsichten, Wertvorstellungen. Im Meistergrad endlich begeg­nen wir der Tugend der Weisheit. Bescheiden die eigenen Grenzen und diejenigen dieses Planeten zu erkennen, sein Schick­sal zu bejahen, an ihm zu arbeiten und immer wieder mal zu lächeln über sich selbst und das grosse Weltthea­ter, sind kleine aber praxisbezogene Schritte in Richtung einer weise­ren Lebensführung, bei der uns weder die Modetor­heiten der Zeit, noch die wech­sel­vollen Stürme und Schläge des Daseins so schne­ll aus dem Lot zu bringen vermö­gen.

b) Symbole, Rituale und Grade

Die Hauptsymbole der Freimaurer sind die drei grossen Lichter Bibel, Win­kelmass und Zirkel. Die Bibel oder ein anderes Heiliges Buch der Kulturgeschichte der Menschheit versinnbildlicht in unsern Ritualen das Göttliche, weist uns auf das Transzendente hin und er­mahnt uns zugleich, uns in unse­rem Denken, Fühlen und Handeln von ihm leiten zu las­sen. Ge­setz, Recht und Ordnung werden in der Freimaurerei durch das Win­kelmass symbolisiert. Es hält uns an, diese Grundbe­din­gungen mensch­lichen Zusammenlebens in allen unseren Oblie­gen­heiten im Augen zu behalten, gerecht gegenüber der Umwelt und kritisch gegenüber uns selbst zu bleiben. Der Zirkel schliesslich steht für eine den Bruder, alle Mitmenschen und das gesamte Sein umfangende Liebe, die immer grössere Kreise ziehen soll.

Diesen und weiteren Symbolen begegnet der Freimaurer im Rahmen so genannter Tempelarbeiten. Dabei handelt es sich um Aufnahme- oder Beförde­rung­sfei­ern, bei welchen der Neuling in einer Ver­bin­dung von Handlungen, Symbolen, Unterweisungen, Kontempla­tion und Musik erstmals mit dem Wesen und den Zielen des jeweiligen Grades vertraut gemacht wird und die für jeden Schlüsselerlebnisse auf seinem maurerischen Werdegang dar­stel­len. Tempelarbeiten dienen jedoch nicht nur der Einfügung neuer Mitglieder in die Logengemeinschaft, sondern ­zugleich der Sammlung jedes einzelnen Bruders, der Besin­nung auf die ethischen Normen des Bundes sowie der Vertiefung menschlicher Bindungen innerhalb der Bruderschaft. Einen der Höhepunkte bildet dabei ein gradspezifisches Gelöbnis. Durch die sinnlichen Erfahrungen dieser Feiern will die Freimaurerei die tieferen Schich­ten der Seele ansprechen und Unbewusstes ans Tageslicht heben. Da hierbei sehr persönliche Erfahrungen gemacht werden, lässt sich darüber kaum etwas mitteilen und noch weniger darüber rechten. Man muss es selber erleben.

Inneres Reifen will erdauert sein. Daher erfolgt die maurerische Erziehungs­arbeit in Etappen - vom Lehrling, über den Gesellen zum Mei­ster. Diese Stufen versinnbildlichen die menschliche Entwick­lung von der Geburt über das Leben zum Tode. Im Lehr­lingsgrad heisst die Losung "schau in Dich!"; folgerichtig ist die Selbsterkenntnis die Aufgabe des Maurers auf dieser Stufe. "Schau um dich!", heisst es im Gesellengrad, wo der Kandidat angehalten wird, beharrlich weiterzuarbeiten, sich in der Selbstbe­herrschung zu üben und sich in die Gemein­schaft seiner Mit­menschen einzuordnen. Der Selbstver­voll­kommnung ist der Meistergrad ge­weiht; "schau über Dich!" lautet hier die Weisung; in ihm soll der alte Mensch in uns sterben und mit neuen Erkennt­nissen über sich, die Welt und den Kosmos gleichnishaft wiedergebo­ren werden. An all das knüpfen sich verschiedene

c) praktische Verpflichtungen

So wird der Freimaurer angehalten, regelmässig an den Arbei­ten seiner Loge teilzunehmen. Nicht von ungefähr!Denn es gehört zu den wertvollsten Seiten der Freimaurerei, dass sie ihre menschenbilden­den Ziele nicht einseitig verfolgt, son­dern verschie­dene Bereiche anzusprechen und zu entwickeln versucht. Während der rituellen Tempel­arbeiten sol­len beson­ders die Gemütskräfte gefördert werden. Mehr an den Intel­lekt, unser Verstandes- und Vernunftspotential richten sich die Konferenzen mit Vorträgen vorab über maure­ri­sche, philo­so­phische, psycho­logische, naturwissen­schaftli­che, staatsbür­gerl­iche oder andere aktuel­le Zeitfra­gen, die übrigens meist von den Logen­mitgliedern selbst zu erarbeiten sind. Hinzu kommen Instruk­tionen über Inhalte und Brauchtum der einzelnen Grade. Beide Arbeits­formen und die ihnen vorange­henden oder folgenden geselligen Zusammenkünf­te unter Men­schen verschiedenster Herkunft erfüllen zudem wich­tige sozia­le Funktio­nen. Von einem Mitglied werden zudem Diszi­plin, Vertrauenswürdigkeit, Verschwiegenheit, brüderliche Gesinnung und Versöhnlichkeit erwar­tet - Tugenden freilich, denen nachzuleben dem einen besser und dem andern weniger gut gelingt.

Der Freimaurerbund verfügt also über eine breite Palette von Mit­teln, um seine Anliegen zu fördern, ein Angebot, das weit über die Abgabe von Literatur und das Halten von Vorträgen hinausgeht, die Gesamtpersönlichkeit des Menschen anpeilt und manche Erkenntnisse und Methoden der modernen Humanwissen­schaften beinhaltet und synthetisiert. Die Frage ist indessen berech­tigt, inwieweit das maurerische Brauchtum wirklich dazu beiträgt, den Men­schen im Sinne der ethi­schen Ziele des Bundes zu beeinflussen und zu verbessern, oder ob da nicht manches ein from­mer Wunsch sei und bleibe. Ich denke, man sollte die praktischen Wirkungen weder über- noch unter-schätzen, zumal jeder Mensch unterschiedliche Voraussetzungen mitbringt, um etwa mit Symbolen etwas anfangen zu können.