Um ihre Ziele zu verfolgen, bedient sich die Freimaurerei mehrerer Instrumente. Wir können sie grob in drei Gruppen gliedern: 1. in Grundprinzipien und Kardinaltugenden, 2. in Symbole, Rituale und Grade, 3. in praktische Verpflichtungen.
Diese lassen sich zusammenfassen in den Begriffen der Humanität, Toleranz und des Kosmopolitismus. Die Humanität fordert das Bekenntnis zum Mitmenschen, zur gegenseitigen Anteilnahme und Mitverantwortung im Dienste der Gemeinschaft, zu Hilfsbereitschaft, Wohltätigkeit, kurz zu aktiver Nächstenliebe aus der klaren Erkenntnis heraus, dass wir alle zusammengehören, weltweit eine Schicksalsgemeinschaft darstellen, Teile eines grossen Ganzen sind. Freimaurerische Toleranz entspringt der Einsicht, dass niemand die absolute Wahrheit besitzt und dass wir deshalb jedem auch dann mit Achtung, Verständnis und Duldsamkeit begegnen sollen, mit dessen Ansichten wir nicht einig gehen. Ein solches Toleranzverständnis setzt voraus, dass wir gegeben-enfalls bereit sind, eigene Vorurteile und Irrtümer einzusehen und aufzugeben. Mit dem Kosmopolitismus schliesslich unterstreicht die Freimaurerei den weltumspannenden Charakter ihrer Ideale und die Notwendigkeit, allen äusseren Schranken zum Trotz zum Kern unserer Mitmenschen und des in ihnen wirkenden A.B.A.W. vorzudringen. Das bedingt, dass wir uns mit dem Andersartigen beschäftigen, ihn verstehen lernen, mehr das Gemeinsame als das Trennende suchen, ihn als Ganzes annehmen.
Während seiner Logenlaufbahn wird der Freimaurer vor allem mit drei Kardinaltugenden vertraut gemacht: mit der Justitia, Moderatio und Sapientia - zu Deutsch mit der Gerechtigkeit, Mässigung und Weisheit. Die Logenrituale fordern dazu auf, über die Natur von Recht und Gerechtigkeit nachzudenken, nach den in uns schlummernden göttlichen Gesetzen zu forschen und unser Denken, Urteilen und Handeln an ihnen zu üben. Die Tugend des zweiten Grades, die Mässigung, wird dem Freimaurer-Gesellen ans Herz gelegt, eingedenk, dass einerseits Masslosigkeit früher oder später in die Irre führt und anderseits kluges Masshalten nicht nur Entbehrungen nach sich zieht, sondern auch Gewinn in Form von neuen Erfahrungen, Einsichten, Wertvorstellungen. Im Meistergrad endlich begegnen wir der Tugend der Weisheit. Bescheiden die eigenen Grenzen und diejenigen dieses Planeten zu erkennen, sein Schicksal zu bejahen, an ihm zu arbeiten und immer wieder mal zu lächeln über sich selbst und das grosse Welttheater, sind kleine aber praxisbezogene Schritte in Richtung einer weiseren Lebensführung, bei der uns weder die Modetorheiten der Zeit, noch die wechselvollen Stürme und Schläge des Daseins so schnell aus dem Lot zu bringen vermögen.
Die Hauptsymbole der Freimaurer sind die drei grossen Lichter Bibel, Winkelmass und Zirkel. Die Bibel oder ein anderes Heiliges Buch der Kulturgeschichte der Menschheit versinnbildlicht in unsern Ritualen das Göttliche, weist uns auf das Transzendente hin und ermahnt uns zugleich, uns in unserem Denken, Fühlen und Handeln von ihm leiten zu lassen. Gesetz, Recht und Ordnung werden in der Freimaurerei durch das Winkelmass symbolisiert. Es hält uns an, diese Grundbedingungen menschlichen Zusammenlebens in allen unseren Obliegenheiten im Augen zu behalten, gerecht gegenüber der Umwelt und kritisch gegenüber uns selbst zu bleiben. Der Zirkel schliesslich steht für eine den Bruder, alle Mitmenschen und das gesamte Sein umfangende Liebe, die immer grössere Kreise ziehen soll.
Diesen und weiteren Symbolen begegnet der Freimaurer im Rahmen so genannter Tempelarbeiten. Dabei handelt es sich um Aufnahme- oder Beförderungsfeiern, bei welchen der Neuling in einer Verbindung von Handlungen, Symbolen, Unterweisungen, Kontemplation und Musik erstmals mit dem Wesen und den Zielen des jeweiligen Grades vertraut gemacht wird und die für jeden Schlüsselerlebnisse auf seinem maurerischen Werdegang darstellen. Tempelarbeiten dienen jedoch nicht nur der Einfügung neuer Mitglieder in die Logengemeinschaft, sondern zugleich der Sammlung jedes einzelnen Bruders, der Besinnung auf die ethischen Normen des Bundes sowie der Vertiefung menschlicher Bindungen innerhalb der Bruderschaft. Einen der Höhepunkte bildet dabei ein gradspezifisches Gelöbnis. Durch die sinnlichen Erfahrungen dieser Feiern will die Freimaurerei die tieferen Schichten der Seele ansprechen und Unbewusstes ans Tageslicht heben. Da hierbei sehr persönliche Erfahrungen gemacht werden, lässt sich darüber kaum etwas mitteilen und noch weniger darüber rechten. Man muss es selber erleben.
Inneres Reifen will erdauert sein. Daher erfolgt die maurerische Erziehungsarbeit in Etappen - vom Lehrling, über den Gesellen zum Meister. Diese Stufen versinnbildlichen die menschliche Entwicklung von der Geburt über das Leben zum Tode. Im Lehrlingsgrad heisst die Losung "schau in Dich!"; folgerichtig ist die Selbsterkenntnis die Aufgabe des Maurers auf dieser Stufe. "Schau um dich!", heisst es im Gesellengrad, wo der Kandidat angehalten wird, beharrlich weiterzuarbeiten, sich in der Selbstbeherrschung zu üben und sich in die Gemeinschaft seiner Mitmenschen einzuordnen. Der Selbstvervollkommnung ist der Meistergrad geweiht; "schau über Dich!" lautet hier die Weisung; in ihm soll der alte Mensch in uns sterben und mit neuen Erkenntnissen über sich, die Welt und den Kosmos gleichnishaft wiedergeboren werden. An all das knüpfen sich verschiedene
So wird der Freimaurer angehalten, regelmässig an den Arbeiten seiner Loge teilzunehmen. Nicht von ungefähr!Denn es gehört zu den wertvollsten Seiten der Freimaurerei, dass sie ihre menschenbildenden Ziele nicht einseitig verfolgt, sondern verschiedene Bereiche anzusprechen und zu entwickeln versucht. Während der rituellen Tempelarbeiten sollen besonders die Gemütskräfte gefördert werden. Mehr an den Intellekt, unser Verstandes- und Vernunftspotential richten sich die Konferenzen mit Vorträgen vorab über maurerische, philosophische, psychologische, naturwissenschaftliche, staatsbürgerliche oder andere aktuelle Zeitfragen, die übrigens meist von den Logenmitgliedern selbst zu erarbeiten sind. Hinzu kommen Instruktionen über Inhalte und Brauchtum der einzelnen Grade. Beide Arbeitsformen und die ihnen vorangehenden oder folgenden geselligen Zusammenkünfte unter Menschen verschiedenster Herkunft erfüllen zudem wichtige soziale Funktionen. Von einem Mitglied werden zudem Disziplin, Vertrauenswürdigkeit, Verschwiegenheit, brüderliche Gesinnung und Versöhnlichkeit erwartet - Tugenden freilich, denen nachzuleben dem einen besser und dem andern weniger gut gelingt.
Der Freimaurerbund verfügt also über eine breite Palette von Mitteln, um seine Anliegen zu fördern, ein Angebot, das weit über die Abgabe von Literatur und das Halten von Vorträgen hinausgeht, die Gesamtpersönlichkeit des Menschen anpeilt und manche Erkenntnisse und Methoden der modernen Humanwissenschaften beinhaltet und synthetisiert. Die Frage ist indessen berechtigt, inwieweit das maurerische Brauchtum wirklich dazu beiträgt, den Menschen im Sinne der ethischen Ziele des Bundes zu beeinflussen und zu verbessern, oder ob da nicht manches ein frommer Wunsch sei und bleibe. Ich denke, man sollte die praktischen Wirkungen weder über- noch unter-schätzen, zumal jeder Mensch unterschiedliche Voraussetzungen mitbringt, um etwa mit Symbolen etwas anfangen zu können.